Unser Kirschendamm
Bäume haben die Menschen schon immer fasziniert. Und ganz besonders auch Alleen. Deshalb zieht es uns oft nach Eggenstein ins Tiefgestade zum Kirschendamm. Gegenüber dem Fischerheim am Parkplatz beginnt er schon. Zu jeder Jahreszeit ist es dort unten schön aber im April, wenn die Bäume blühen, ist es am schönsten. Wenn sich die weißen Blütenkaskaden über die Spaziergänger ergießen ist der Frühling nicht mehr aufzuhalten. Hummeln und andere Wildbienen schwirren und summen um die Wette. Das ist in jedem Jahr eine Pracht.
Wir Menschen wandern dort, lassen die Seele baumeln und werden eins mit der Natur. Wer zeitig dort ist sieht Fuchs, Fasan und Rebhuhn. Im Spätsommer und Herbst ziehen Nebelschwaden auf und die Landschaft verwandelt sich in eine Zauberwelt. Es ist schwer zu beschreiben, man muss hin und muss es selbst erleben. Gefühle der Geborgenheit umfließen den, der sich darauf einlässt. Man empfindet Demut gegenüber der Schöpfung.
Jeder weiß, dass man Obstbäume schneiden muss aber was jetzt am Kirschendamm passiert ist, ist selbst für einen Laien nicht mehr nachvollziehbar. Auf mehrere Hundert Meter wurden fast alle Bäume aufgeastet und die Kronen halbiert. Von Schnittregeln, Schnitt auf Astring, Oberseitenförderung, Saftwaage, Apikaldominanz, usw. ist dort überhaupt nichts zu erkennen. Viele Bäume sind nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Es sieht gerade so aus, als sollte Platz für ein großes Fahrzeug geschaffen werden. Etwa für die Feuerwehr, um die zu hoch gestiegenen Obsternter aus den Kronen zu retten? Ein Fachmann würde sagen: „Dieser Schnitt ist eine Schande für das gesamte Gärtnerhandwerk!“
Oder hat hier ein Ökologe gehandelt? Die Kronenverstümmelungen und stehen gelassenen Huthaken fördern die Höhlen und Totholzbildung. Das gibt ideale Käfer und Spechtbäume. Die Lebensdauer der Bäume wird verkürzt, das entstandene Totholz ist Lebensraum für viele Tiere, sofern man es belässt. War das so gewollt?
Ich weiß wie sich diese Allee weiter entwickeln wird. Die einseitigen Kronen bilden Wasserreiser, unkontrolliertes Triebwachstum setzt ein. Der Arbeitsaufwand erhöht sich, falls man es in Zukunft anders machen möchte. Natur passt sich an, auch wenn für uns Menschen die Ästhetik jetzt dahin ist. Wenigstens hat man nicht gefällt, wie man am Fisperweg gegenüber Metzgerwörth sehen kann.
Wo sind die Fürsprecher, wo ist die Lobby für Natur? Waren das wirklich „nur“ Bäume? Derzeit versuchen wir in der Gemeinde einzelne Gruppen, die sich mit Natur beschäftigen, zusammen zu bringen, bzw. zu vernetzen. Und dann muss man erleben, wie schändlich mit unseren Bäumen umgegangen wird. Das macht mich ratlos.
Ratlosigkeit ist keine Lösung. Aber was können wir tun? Unsere Umwelt Gruppe ist offen für Jedermann aber es kommen so wenige. Dabei geht Umwelt doch jeden an. Die wenigen in unserer Gruppe setzen sich ehrenamtlich für kleine und realisierbare Projekte ein und zeigen damit, dass man auch mit geringem Einsatz das Ortsgeschehen positiv beeinflussen kann. Vor zwei Jahren gab es einen gemeinsamen Termin vor Ort mit allen Beteiligten. Da wurde das Vorgehen beim Obstbaumschnitt besprochen. Das Ergebnis damals war vorbildlich. Das war ein guter Weg. Darauf sollten wir in Zukunft auch hoffen dürfen. Das käme allen Naturfreunden, also der gesamten Gemeinde zugute.
Ralf Schreck – enttäuschter Bürger