Morgenspaziergang in der Heimat

Eigentlich wollte ich radeln, aber mein Doc meinte, dass ich nach dem etwas größer ausgefallenem chirurgischen Eingriff das Rad ein paar Tage stehen lassen solle. Gesagt, gelaufen.

Beim ehemaligen Bahnhof Leopoldshafen bog ich auf den Feldweg Richtung Linkenheim. Gerade ging die Sonne auf und schob sich über das reife Getreidefeld. Der Wetterbericht prophezeite einen heißen Sommertag, deshalb ging ich zeitig in der Frühe raus. Auf der Fenchelblüte im Gründungfeld entdeckte ich einen schlafenden Bienenkäfer. Wo er vorkommt gibt es solitär lebende Wildbienen, die seine Larven parasitieren. Der Käfer frisst Pollen, jagt jedoch auch andere Insekten.

Mein erstes Ziel war jedoch das Feld mit der artenreichen Flora rechts der Straßenbahnlinie zwischen Leopoldshafen und Linkenheim. Es ist ein trockener Standort mit Natternkopf, Mohn, wilden Karden, Johanniskraut, Nacht- und Königskerzen, Rainfarn, Fenchel, Bocksbart, Sauerampfer, Labkraut und vielem mehr. Die Blütenpflanzen überwiegen, es gibt wenige Gräser.

Dieser Artenreichtum lässt auf eine vielfältige Insektenwelt schließen. Und diese gibt es dort auch. Allerdings findet man hauptsächlich „Allerweltsarten“, und diese in geringen Anzahlen. Dieses Feld könnte mehr hergeben. Gewiss, meine Betrachtungen sind subjektiv und ich erfasse meine Beobachtungen nur vom Feldrand, weil ich nicht hineinlaufen möchten, um zerstörerische Spuren zu hinterlassen. Meine Beobachtungen sind lediglich Momentaufnahmen. Doch ich habe ein geübtes Auge und erkenne viele Pflanzen und Tiere auch im Vorbeigehen.

Der Anblick dieses Wiesenfeldes beruhigt mein Gemüt. Es ist die Farbkomposition, die die Natur mir hier anbietet. Es überwiegen helle Farbtöne. Gelb in den unterschiedlichsten Nuancen, gemischt mit Braun und Grau. Dazwischen das filigrane Blau und Rot der Natternköpfe und wilden Karden.

Auf einer solchen entdecke ich den nächsten Schläfer. Eine Hummel, die die Nacht auf der Blüte verbracht hat. Eine gute Gelegenheit mit der Nahlinse zu photographieren. Als ich jedoch die unsichtbare Persönlichkeitsgrenze der Hummelin überschreite, wird sie wach, dreht sich mir entgegen, und streckt zwei Beine aus. Das Präsentieren des stachelbewehrten Hinterns bedeutet, „hau ab, sonst gibt es Senge“.

Honigbienen sind allgegenwärtig und gehen ihrer Arbeit nach. Die Nachtkerzen werden umschwärmt, die Sammelhöschen sind bereits dicht gefüllt. Auf den Blütenständen des Rainfarns entdecke ich deren Verwandte. Ameisen laben sich am süßen Nektar. Beide, Bienen und Ameisen gehören zur Gruppe der Hautflügler. Während Bienen ständige Flieger sind, tun dies bei den Ameisen nur deren Königinnen und Drohnen während des Hochzeitsfluges.

Und plötzlich entdecke ich den ersten Gaukler! Ein kleiner Feuerfalter tanzt von Pflanze zu Pflanze. Er besucht die Sauerampfer, an denen er seine Eier ablegt. Es sind die Futterpflanzen für seine Raupen. Er sieht schon ziemlich „abgewetzt“ aus. Die meisten Gaukler tanzen eben nur einen Sommer.

Bevor ich in der Nähe des Adam Lang Denkmals die Gleise der Straßenbahn und die Landstraße Richtung Wald überquere, entdecke ich noch eine Gemeine Feldschwebfliege an einer Nachtkerzenblüte.

Kaum im Wald, begrüßt mich ein Waldbrettspiel. Es ist ein typischer Waldfalter. Mit seiner schönen unaufgeregten Zeichnung ist er in den Baumkronen gut getarnt. Wir können uns glücklich schätzen in einer so abwechslungsreichen Heimat zu leben. Hier Wiesen, Äcker und Felder, da Wälder. Im Hochgestade den Hardtwald und unten im Tiefgestade den vielgestaltigeren Auenwald. Wie froh sind wir, wenn wir an den aktuell heißen Sommertagen kühlenden Schatten unter Eichen, Erlen und Weiden finden. Unsere Rheinwälder sind von Dämmen durchzogen, die wiederum einen Lebensraum zahlreicher Wiesenpflanzen und deren Besucher bieten.

An der Gemarkungsgrenze gibt es bei Linkenheim Reste eines Erlenbruchwaldes mit seiner einzigartigen Vegetation. Gegenüber, auf Schröcker Seite entdecken wir das versteckte Schluttenloch. Blutweiderich und Goldfelberich säumen das Ufer. Am Damm erkennen wir Wiesenknöpfe und Arnika. Schenkel- und Soldatenkäfer finden sich an der Schwalbenwurz. Am geschotterten Feldweg entdecke ich zwei Balkenschröter, Verwandte des Hirschkäfers. Sie sind offensichtlich auf dem Weg nach Hause, zum nächsten Totholz.

Ich wandere auf der Dammkrone und biege in der Kurve ab Richtung Wald und Schröcker Schließe. Auf der Streuobstwiese am Rheinniederungskanal begrüßt mich das Flöten des Loriots. Nachdem ich sein Flöten erwidere, zeigt er sich kurz und leuchtet mir mit seinem gelben Gefieder entgegen.

Die Wiese wurde gemäht, das Gras bereits gewendet und im sogenannten Schwad abgelegt. An der großen Zahl der abgestorbenen Bäume kann man die über Jahre vernachlässigte Pflege dieser Obstanlage sehen. Daran kann man erkennen, welchen Stellenwert die Streuobstpflege in unserer Gemeinde hat. Auf der Prioritätenliste der anzupackenden Themen unserer Gemeinde steht ökologische Handlungsweise auf unseren inner- und außerörtlichen Grünflächen nicht sehr weit oben. Diese Tatsache wurde in den beiden Sitzungen der Verantwortlichen des Rathauses mit den Mitgliedern der Agenda Gruppe Umwelt deutlich. Dabei sind die Grundlagen, bzw. die Voraussetzungen hierfür bereits festgeschrieben. Im sogenannten Grünpflegehandbuch der Gemeinde, sowie in den Empfehlungen des von der Gemeinde finanzierten Gutachtens des Botanikers, sind die entsprechenden Maßnahmen zu lesen.

Ideen und Verbesserungsvorschläge sind von allen Seiten zu hören. Nur die Umsetzung bleibt oftmals auf der Strecke. Es fehlt an Personal, es wird zu wenig Zeit für wichtige Maßnahmen zur Verfügung gestellt. Es gibt andere Aufgaben, die als wichtiger betrachtet werden, sind die Argumente, die wir zu hören bekommen.  Es fehlt am grundsätzlichen Willen notwendige ökologische Themen nicht nur anzupacken, sondern auch umzusetzen. Dass es anderswo besser geht zeigte mein Besuch bei der Bundeswehrkaserne am Eichelberg bei Bruchsal. Dort gibt es für die Umsetzung der Grünpflege eine Ökologin, die die Vorgaben plant, die Umsetzung vorgibt und die Umsetzung überwacht. Also jemand, der sich ausschließlich mit einem Bereich beschäftigt.

Ich möchte niemandem Vorwürfe machen. Jeder erledigt seine Arbeiten nach bestem Wissen und Gewissen. Es ist jedoch im menschengemachten Zeitalter von Klimakrise und Artenschwund nicht mehr zeitgemäß ökologische Themen auf die lange Bank zu schieben. Seit Jahren bringt sich unsere Agenda Gruppe Umwelt mit Vorschlägen und Ideen ein. Der daraus resultierende Erfolg ist eher mäßig. Man hätte viel mehr erreichen können.

Einen Erfolg der AGU`ler sieht man auf der Wörth Wiese. Die zahlreichen abgestorbenen Obstbäume wurden durch unsere Intervention belassen, weil sie als Totholz wertvollen Lebensraum für zahlreiche Tierarten bieten. So entdeckte ich am Ende der Wiese auch wieder einen Hornissenbaum. In einer Baumhöhle fand die Königin einen Platz zur Nestgründung.

Beim Rückweg entdeckte ich entlang der frisch asphaltierten Zufahrtsstraße zum Kompostplatz einen Pulk Wegwarten. Im Nu kam die Wegwarten Hosenbiene angeflogen und sammelte flugs Nektar und Pollen. Sie flog so schnell von Blüte zu Blüte, dass ich Mühe hatte mit der Kamera zu folgen. Da war es wesentlicher einfacher den Grünspecht beim Ameisen fangen zu beobachten.

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Zweieinhalb Stunden war ich zu Fuß unterwegs. Hättet ihr auf dieser Strecke vergleichbare Beobachtungen gemacht? Oder seid ihr „nur“ spaziert und habt diesen Morgen genossen und seid mit einem glücklichen Lächeln nach Hause gegangen? Beides ist gut und wichtig. Denn wir alle wollen vielfältige und intakte Landschaften genießen. Gemäß unserem Gemeindemotto „Wohlfühlen in Vielfalt.“

Umsonst bekommen wir jedoch heute nichts mehr.

Ralf Schreck – der mit der Natur spricht

Herbst im Hardtwald

Die Tage werden merklich kürzer, der Herbst ist bereits ins Land gezogen. Doch dieses Jahr rieselt das Laub anders als im vergangenen Jahr. Durch die lang anhaltende Trockenheit in diesem Sommer haben viele Bäume schon recht früh mit dem Laubfall begonnen. Besonders auffällig war dieses Phänomen an den Rosskastanien zu sehen, die entlang des Pfinzkanals im Hardtwald stehen. Denn sie waren gestresst durch den Befall mit Kastanienminiermotten und die Sommerdürre. Als dann nach vielen Wochen Ende September die Regenfälle kamen, mobilisierten einige Bäume neue Kräfte und schoben neue Blätter und Blüten.

 

Was lernen wir daraus? Bäume ergeben sich nicht einfach ihrem Schicksal. Sie kämpfen um ihr Überleben. Durch diese sogenannte Notblüte versucht der Baum durch Fruchtbildung die Art zu erhalten.

Im folgenden Videoclip lasse ich euch an meiner herbstlichen Träumerei teilhaben, die ich aktuell bei meiner täglichen Radtour von der Arbeit in Karlsruhe auf dem Heimweg im Hardtwald nach Leopoldshafen erlebe. Morgens ist es noch “zappenduster” und deshalb gibt es nicht viel zu sehen. Dafür ist der Heimweg umso interessanter.

Beim Hirschgrabenweg radle ich in den Hardtwald, die meiste Strecke entlang des Pfinzentlastungskanals. Dort leuchtet der Wald gelb, golden und braun. Eigentlich ist es kein Wald, sondern ein gepflanzter Forst. Unser subjektives Empfinden lässt uns einen Wald sehen.

 

Die Farben bringen die Roteichen mit, die aus Nordamerika stammen. Der Forst hat sie bereits Anfang des 20. Jahrhunderts in unsere Wälder eingeführt.

 

Herbst im Fluss

Der Strom trug das ins Wasser gestreute
Laub der Bäume fort.
Ich dachte an alte Leute
Die auswandern ohne ein Klagewort.

Die Blätter treiben und trudeln,
Gewendet von Winden und Strudeln
Gezügig, und sinken dann still.
Wie jeder, der Großes erlebte,
Als er an Größerem bebte,
Schließlich tief ausruhen will.

Joachim Ringelnatz

 

Ein kleines Hindernis verhindert das Weiterkommen. Wenn man nur die Invasionstruppen des russischen Agressors so einfach aufhalten könnte.

 

Manche Bäume verleiten mich zum Inne halten. Oft sind es nicht die makellosen oder die besonders gerade gewachsenen. Die knorrigen und schiefen sind es. Die gezeichneten und vernarbten. Ganz automatisch halte ich an und betrachte mir die altehrwürdigen Baumgestalten. Die bemoosten Äste geben der alten Kastanie ein grünes weiches Kleid. Die langen Äste ragen wie Arme über den Pfinzkanal. Während ich mich auf diese Szenerie einlasse, entdecke ich am Ufer im flachen Wasser einen Graureiher bei der Pirsch. Minutenlang verharrt er regungslos im seichten Wasser am Ufer, bis er blitzschnell einen vorbei ziehenden Fisch speert.

Die bunten Mandarin Enten sind auch wieder da. Im Frühling beobachtete ich einige Pärchen bis zur Brutzeit. Eine Ente mit Küken konnte ich im Laufe der folgenden Wochen begleiten, danach waren alle verschwunden. Jetzt zur Herbstzeit sind wieder einige Exemplare auf dem Pfinzkanal zu sehen. Die Männchen fallen auf wie “bunte Hunde”, die Weibchen in ihrem schlichten Federkleid nicht.

Auch die Sonnen badende Schmuckschildkröte war im Sommer unsichtbar. Jetzt kann man sie auf ihrer Liege bei der alten Kastanie beobachten.

Jetzt ist es Herbst

Die Welt ward weit,
Die Berge öffnen ihre Arme
Und reichen dir Unendlichkeit.
Kein Wunsch, kein Wuchs ist mehr im Laub,
Die Bäume sehen in den Staub,
Sie lauschen auf den Schritt der Zeit.

Jetzt ist es Herbst,
das Herz ward weit.
Das Herz, das viel gewandert ist,
Das sich verjüngt mit Lust und List,
Das Herz muss gleich den Bäumen lauschen
Und Blicke mit dem Staube tauschen.
Es hat geküsst, ahnt seine Frist,
Das Laub fällt hin, das Herz vergisst.

Max Dauthendey

 

 

Ralf Schreck – Radel Freund

Du musst das Leben nicht verstehen

Ostern 2022

Im Frühling erleben wir den Wandel und die Erneuerung unserer Natur am intensivsten. Am Morgen in der Frühe spüren wir noch die Kühle des Winters, am späteren Nachmittag legen wir unsere Jacken beiseite und genießen das milde Lüftchen. Bei meiner täglichen Radtour nach Durlach zur Arbeit durch den Hardtwald, erlebe ich bei Wind und Wetter die jährlich wiederkehrende Erneuerung. Die Tage werden allmählich länger, täglich wird der Wald grüner.

Auch im Dorf können wir die entstehende Buntheit unserer Welt erleben. In diesem Frühling fallen die weißen Blüten besonders ins Auge.

Die Kulturlandschaften um unsere Dörfer präsentieren sich ebenfalls frühlingsfrisch. Die Felder sind bestellt. Besondere Kulturen wie Spargel oder Zuckermais werden mit Folien belegt. Zum Schutz vor kalten Nächten beim Zuckermais und zur Steuerung der Ernten beim Spargel. Plastiklandschaften überall. Unser Niederwild wie Fasan, Rebhuhn und auch die Hasen sind von einer solchen Plastifizierung unserer Landschaften nicht begeistert.

Im Dienste der landwirtschaftlichen Wissenschaft, zur Erprobung von Pestiziden in Bezug auf Insektenverträglichkeit, finden auf einigen Flächen Versuche statt. Während wir die idyllischen Ansichten mit Raps auf die Skyline von Leopoldshafen genießen, fallen die Folientunnel im Vordergrund auf. Darin finden diese Versuche statt. Diese Flächen werden mit den entsprechenden Pestiziden behandelt und die darin befindlichen Bestäuberinsekten untersucht. Letztendlich lassen alle Bienen, Hummeln und andere Insekten in diesen Zelten ihr Leben für den Pflanzenschutz.

 

 

Die weißen Farbtöne gibt es in den unterschiedlichsten Nuancen. An vielen Orten können wir das erleben. Es ist die Zeit der Blütenfülle. Es ist eine Zeit, die jedes Jahr wieder kommt. Der ewige Kreislauf der Natur. Ein Kreislauf, der von der Menschheit beinflusst wird. Mit Folgen, die wir heute noch nicht wahrhaben wollen. Eines ist jedoch gewiss. Die Natur braucht uns nicht. Natur wird jedoch auch die ausgebombten Ruinenstädte wieder besiedeln.

 

 

Für die Weinbergschnecke spielt Zeit keine Rolle. Was ist da schon die Ewigkeit?

 

Ralf Schreck – Naturfreund

Ein ganz normaler Samstag

Für Julia

Und plötzlich hat sich der Frühling verabschiedet. Was wurden wir in den vergangenen Tagen verwöhnt mit den milden Temperaturen, die schon an die zwanzig Grad gingen. Überall begann es zu sprießen und zu blühen. Die Veränderung vom tristen grau ins blühende Grün konnten wir allerorts spüren und erleben. Der Duft des Frühlings, die Erneuerung der Natur, des prallen Lebens konnten wir überall sehen. Ralf, du bist ein Träumer. Mach den Fernseher an und schau dir an, was in der Ukraine passiert. Wie kannst du da vom prallen Leben schwärmen?

Unsere kleine Welt ist bunt. Frühllingsbunt.

Mir ist kalt. Diese Kälte spürte ich bereits an den warmen Tagen. Außen von der Sonne erwärmt, doch innen im Herzen kalt. Es ist diese Zerrissenheit, der Zwiespalt zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Es ist diese scheinbare Ohnmacht, die sich im Bewusstsein breit macht.

Während ich los radle, kommen mir die ersten Menschen aus der Ukraine entgegen. Bepackt mit Taschen voller gespendeter Sachen, die man zum Überleben in der Fremde braucht. Ihr Schritt ist zielstrebig, die Gesichter sind ernst. Ich schäme mich, weil mir es mir gut geht, weil es mir besser geht, als diesen Menschen.

Da wo diese Menschen gerade waren gehe ich jetzt auch hin. Ich bin Bote und überbringe einen nicht unerheblichen Geldbetrag zu den Räumlichkeiten der Nachbarschaftshilfe. Diesen haben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eines örtlichen Unternehmens für die Ukraine Hilfe der Nachbarschaftshilfe gesammelt. Beim ehemaligen Rathaus in Leopoldshafen hat unser Rotes Kreuz ein Zelt aufgestellt. Darin warten die Menschen auf Einlass. Es sind Frauen, Mädchen, Teenager, Kinder. Es sind Menschen wie du und ich. Menschen in Not, denen hier geholfen wird.

Es werden Nummern verteilt, sodass ein geordnetes Abwickeln der Dinge vonstattengehen kann. Eine Übersetzerin bittet die Hilfe suchenden ein. Kleidung, Lebensmittel und sonstiger Bedarf wird an die gegeben, die es benötigen. Ich trage mein Anliegen vor und dann stehe ich vor Laetitia. „Die Frau“ der Nachbarschaftshilfe. Sie kann es kaum fassen, was ich vorbeibringe und bedankt sich dafür mit ganzem Herzen. Laetitia ist ein Phaenomen. Was sie auf die Beine gestellt hat in den beiden vergangenen Jahren ist mehr als großartig.

Die Hilfsbereitschaft in unserem Ort ist groß. Gerade kommt ein älterer Herr vorbei, behangen mit Tüten voller Sachen. Auch er wird dankbar begrüßt. Die Kammern sind voll mit Lebensmitteln aller Art und ich bekomme ein Gefühl dafür, dass diese Hilfe ankommt. Auch wenn wenig gesprochen wird, so spüre ich eine Woge der Dankbarkeit und Wertschätzung aller Anwesenden. Einer der Räume erstrahlt in einem warmen Rot. Das ist das Leuchten der Uniformen der Rotkreuzler, die sich zum Aufwärmen dort versammelt haben. Wenige Blicke genügen. Sie sagen, hier ist alles gut.

Trotz des Gefühles ein gutes Werk getan zu haben, werde ich meine Betroffenheit nicht los. Die ukrainischen Jungs und Mädels, die ich sehe, könnten meine Kinder sein. Wenn ich abends auf unserem Balkon stehe und den Abendhimmel hinter den Hochhäusern der Mannheimer Straße betrachte, kommen mir die Bilder der zerbombten und ausgebrannten Häuser in den Sinn. Worin liegt der Sinn? So unnötig. Meine Instagram Freundin Julia, die ukrainische Wurzeln hat, postet verzweifelte Bilder ihrer Heimat. Stop war now.

Wir hören die Nationalhymne der Ukraine. Der Text ist die Übersetzung einer Strophe daraus. Gemeinsamkeiten lassen sich bei vielen Menschen entdecken.

 

Es ist noch früh und ich radle zum nächsten Ziel. Heute bin ich Erntehelfer bei der SoLaWi. Wir haben Woche 13 und damit beginnt das neue Erntejahr. Es sind auch andere „Neue“ dabei und wir beginnen mit der Ernte. In zwei Folientunnel werden Lauchzwiebeln und Radieschen geerntet. Wir besprechen, wie wir vorgehen. Die „Neuen“ fragen, wie man wohl am besten erntet. Doch es ist ganz einfach. Während sich die Lauchzwiebeln gegen das Ernten wehren und deshalb abgeschnitten werden, lassen sich die Radieschen einfach aus dem Boden ziehen. Nach einer Stunde waren etliche Kisten befüllt und es ging ans Auszählen und Abwiegen. Der Ernteanteil an diesem Tag betrug 20 Radieschen, 5 große und 4 kleine Lauchzwiebeln. Klingt irgendwie bescheiden, aber es war eine Aktion voller Genugtuung und Sinnhaftigkeit. Im Laufe des Jahres steigern sich die Erntemengen. Von den 20 Radieschen sind auch schon 5 einem Vesper zugeführt worden.

Was bei der SoLaWi jedes Mal beeindruckend ist, ist das Erleben dort. Die Motivation, die besondere Stimmung in den Arbeitseinsätzen. Ja, es ist das Erleben einer besonderen Gemeinschaft.

Zur selben Zeit waren auf dem Gelände der Gärtnerei Oesterle die Europa Mini Gärtner zugange. Thema waren Frühlingsblumen. Tatjana und Rolf waren zeitig vor Ort und organisierten mit Herrn Oesterle diese Aktion. Nachdem die einzelnen Frühlingsblumen vorgestellt wurden, durften alle Kinder Schalen bepflanzen. Welche Pracht die kleinen Kinderhände schufen. Eine Schale schöner als die andere. Das sind wohl die schönsten Osterschalen in Eggenstein!

 

 

 

 

Die Mini Gärtner waren vor kurzem am Baggersee Leopoldshafen aktiv. Dort pflanzten sie zahlreiche Sträucher im Uferbereich der Schutzzone des Anglervereines. Unter Anleitung unseres Gemeindeförsters wurde auch diese Aktion erfolgreich abgeschlossen. Das besondere an diesem Vormittag waren die Gesten von Friedhelm. Er hockte sich einfach hin und im Nu scharten sich die Kids um ihn herum. Sich auf sein Gegenüber einlassen, auf Augenhöhe Präsenz zeigen. Das war die Botschaft des Tages.

 

 

 

Es überkommt mich ein Gefühl des Wohlwollens, wenn ich betrachte, welche Gemeinschaftsaktionen wir in unserer Doppelgemeinde auf die Beine stellen. Anderswo ist es ähnlich. Wir gestalten, bauen auf, wir üben Teilhabe aus. Wir nehmen am Leben teil. Dies alles können wir jedoch nur tun, weil wir nicht von Vertreibung, Flucht, Not und Elend betroffen sind. Und doch werden wir mit diesem Unrecht konfrontiert. Einfach zur Tagesordnung überzugehen kann ich nicht. Das entspricht nicht meinen Wertvorstellungen.

 

Ein ganz normaler Samstag?

 

“Von guten Mächten” ist ein Gedicht von Dietrich Bonhoeffer. Die Motive zur Umrahmung stammen vom Hardtwald, von unseren Friedhöfen, vom Bürgerpark und vom Baggersee Leopoldshafen. Dieses Gedicht belässt uns die Hoffnung. Hoffnung ist wichtig. Ohne sie könnte ich nicht leben. Könnt ihr das?

Ja, ich bin ein Träumer. Ich kann jedoch unterscheiden zwischen falsch und richtig. Zwischen Recht und Unrecht. Und Unrecht bleibt Unrecht. Und Mörder bleiben Mörder.

Stop war now!

Weihnachten in der Heimat – eine Weihnachtsgeschichte

Das Jahr möchte zu Ende gehen, das neue erwartet uns schon. Was wird es uns bringen? Wie sind wir mit 2021 umgegangen? Man könnte meinen, unsere Welt ist aus den Fugen geraten. Dabei sind viele unserer Probleme  hausgemacht. Wir kennen neue Worte wie “Lockdown” oder “Homeoffice” oder “Booster”. Wir mussten lernen mit Entbehrungen umzugehen. Das Leben wurde anstrengender und unberechenbarer. “Wo kann ich mich testen lassen?”, “Wann bekomme ich einen Impftermin?”, waren häufige Fragen. Für mich persönlich war es ein schwieriges Jahr. Aber das soll heute nicht das Thema sein. Trotz meiner Müdigkeit versuche ich nach vorne zu schauen und entdecke an vielen Orten Zuversicht. Und Zuversicht und Hoffnung sollen heute das Thema sein.

Zum neuen Jahr ein neues Herze,
ein frisches Blatt im Lebensbuch.
Die alte Schuld sei ausgestrichen
und ausgetilgt der alte Fluch.
Zum neuen Jahr ein neues Herze,
ein frisches Blatt im Lebensbuch!
Zum neuen Jahr ein neues Hoffen!
Die Erde wird noch immer wieder grün.
Auch dieser März bringt Lerchenlieder.
Auch dieser Mai bringt Rosen wieder.
Auch dieses Jahr läßt Freuden blühn.
Zum neuen Jahr ein neues Hoffen.
Die Erde wird noch immer grün.

Das sind Worte des Theologen und Lyrikers Karl von Gerok, 1815 – 1890. Und wie Recht er hat! Beim Stöbern im Internet bleibe ich an solchen Gedichten hängen. Vieles ist zeitlos. Schwierigkeiten und Probleme hat es in jedem Jahrhundert gegeben. Nur die Themen wechseln. Lerchen werden oft in Gedichten als Hoffnungsbringer beschrieben. Heute sind sie bei uns selten geworden. Aber wie oben erwähnt, vieles ist Menschen gemacht.

 

Die Idee für die nachfolgenden Clips stammt von Matthias. Er fragte mich neulich, ob ich nicht einen Beitrag für den Lebendigen Adventskalender der evangelischen Kirche in Leopoldshafen beisteuern könnte. Auf dem youtube Kanal der Kirche – www.eki-leo.de – öffnet sich aktuell ein Türchen mit einem schönen und besinnlichen Video. Absolut sehenswert. Und einige meiner Clips werden auch dort präsentiert. Also los, kommt mit und nehmt Teil am weihnachtlichen Eggenstein-Leopoldshafen.

 

Ist es nicht schön anzusehen, wie die Menschen in Eggenstein die Häuser schmücken? Die kurzen Tage haben den Vorteil, dass man die Illuminationen bereits am frühen Abend bewundern kann.

 

 

Dasselbe finden wir auch in Leopoldshafen. Die Menschen geben sich Mühe und bringen mit den geschmückten Häusern und Gebäuden ihre Stimmung zum Ausdruck. Für einander da sein, sich um andere kümmern, das gehört ebenfalls dazu.

 

 

Zurück in Eggenstein. Die Frauenfigur auf dem Friedhof hat es mir angetan. Die Agenda Gruppe Ortsgeschichte hat in diesem Jahr eine sehr sehens- und hörenswerte Führung zu unseren heimischen Kleindenkmalen gemacht. Reinhold, unser “Outdoor Spezialist” leitete diese Tour. Er und Manfred kümmern sich leidenschaftlich um diese Denkmäler, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Auch der prächtig geschmückte Weihnachtsbaum ist eine Augenweide. Unsere Bauhof Mitarbeiter sind nicht nur gute Gärtner, sondern auch sehr gute Weihnachtsbaumschmücker. Tadellos sitzen die Lichterketten. Heimische Motive, weihnachtlich verpackt, na, seid ihr schon in Stimmung gekommen?

 

 

Und wieder in Leopoldshafen. Von November bis in den Vorfrühling blühen unsere beliebten Christrosen. Die makellos weißen Blüten trotzen Wind und Wetter! Ein symbolhaftes Zeichen? Die Auswahl an Christrosen heutzutage ist enorm. Das war nicht immer so. Früher galten die Helleborus als schwer vermehrbar. Doch dieses Problem hat man überwunden. Darüber freuen sich auch die frühen Insekten im neuen Jahr.

 

 

Wir pendeln wieder nach Eggenstein und besuchen dort die katholische Kirche. Dort sind es die ehrenamtlichen Kirchenmitarbeiter, die sich um das weihnachtliche Flair kümmern. Was wären wir nur ohne unsere vielen Ehrenamtlichen? In diesem Jahr ist vieles im Hintergrund abgelaufen. Es gab sehr wenige öffentliche Veranstaltungen, vieles ist in Videokonferenzen abgelaufen. Vieles wurde geplant, und kam dann doch nicht zur Ausführung. Nein, resignieren dürfen wir nicht! Wir planen und sind in Wartestellung. Im aktuellen Amtsblatt gibt es einen schönen Jahresrückblick in Bildern. Sapperlott, was haben wir da alles auf die Beine gestellt? Das kann sich doch sehen lassen! Daran können wir doch anknüpfen!

Im nächsten Clip sind wir wieder in Leopoldshafen. Ja wir wollen doch keinen Ortsteil bevorzugen. Wir besuchen die evangelische Kirche und lauschen dem 4Cant Chor der Gesangsgruppe Belcanto. Was wären wir ohne Musik? Was wären wir ohne Kunst oder Kultur? Was wären wir ohne unsere Ehrenamtlichen? Habt ihr sie erkannt? Eine der Sängerinnen ist Pia. Sprecherin der Agenda Gruppe Umwelt und Gemeinderätin seit vielen Jahren. Auch das ist ein Ehrenamt! Ihre besonnene Art und ihre Fachkenntnis zeichnen sie aus. Das ist vorbildlich. Und wir brauchen Vorbilder. Ich habe nicht auf alles eine Antwort. Deshalb bin ich froh, dass ich mich an Vorbildern orientieren kann. Doch jetzt schaut ihr euch den nächsten Clip an.

 

 

Eine der schönsten Veranstaltungen, der ich dieses Jahr beiwohnen durfte, war die Verabschiedung von Regine Hauck. Der persönlichen Referentin unseres Bürgermeisters Bernd Stober. Die Stimmung, die dabei in der Rheinhalle herrschte, war sozusagen die festliche Einstimmung auf die nahende Adventszeit. Regine wurde in den Ruhestand verabschiedet. Die Ansprachen der Redner, beginnend vom Bürgermeister, Willy, als Vetreter des Gemeinderates, Mario vom Ortskartell, Manfred (Eggenstein) von der Ortsgeschichte, Friedrich vom Seniorenbeirat, fanden durchweg Worte der Wertschätzung für Regines Arbeit in unserer Gemeinde. Und wer sich in unserem Dorfleben auskennt, der konnte nur “Zustimmung” sagen. Es war wie von der Seele gesprochen. Es war ein unvergesslicher Abend. Es war wie eine wohlwollende Woge. Es war die Verköperung unseres Gemeindemottos “Wohlfühlen in Vielfalt”. Es war eine Reflektion. Regine hatte mit vielen Gruppen zu tun. Alleine kann man wenig bewirken. Mit ihrer Art auf die Menschen zuzugehen, sie zu motivieren und zu ermutigen ist uns wahrlich sehr vieles in den vergangenen Jahren gelungen. Darauf können wir aufbauen. Wir wissen, was wir können. Es war ein Abend der Dankbarkeit und Wertschätzung. Und mir tat es sehr gut dies zu erleben. Es war eine Reflektion, eine Reflektion auf uns alle.

Und jetzt lade ich euch zu einem kleinen Spaziergang in den Hardtwald bei Eggenstein ein.

 

 

Weihnachten ist auch immer ein Fest der Familien. An Weihnachten kommen wir Heim. So ist es jedenfalls in unserer Familie. Im letzten Clip sahen wir meinen Vater Philipp. Er hat allerdings auch ganz andere Weihnachten erlebt. Er ist Jahrgang 1932, hat den Zweiten Weltkrieg als Kind erlebt. Bei der Auflösung seiner Wohnung sind mir die alten Fotoalben aufgefallen, die mit ihren Bildern von “früher” berichten. Eine solche Weihnachtsgeschichte erzählt der nächste Clip.

 

 

Was ist mit unseren Tugenden passiert? Dankbarkeit? Bescheidenheit? Empathie? Toleranz? Anders sein bedeutet Vielfalt. Aber anders sein darf unsere Werte nicht zerstören. Anders sein soll nach Gemeinsamkeiten suchen, soll verbinden und einem Gemeinwohl nützen. Manchmal ist ein Schweigen, gepaart mit ein paar schönen Gedanken und Ideen wertvoller, als ein unüberlegtes Gerede. Sind ein paar schöne Worte, die von Herzen kommen nicht ein schönes, ja ein unbezahlbares Geschenk? “Besinnung” ist ein schönes Wort, deshalb kommt es im Titel im (vorerst) letzten Clip auch vor.

 

 

Diese Geschichte ist mittlerweile auch schon Geschichte, denn die Bahnen fahren am Marktplatz seit dem 13. Dezember unterirdisch. Wir Menschen verändern unsere Welt stetig. Zum Guten? Zum Schlechten? Es liegt in unserer Hand, welchen Weg wir bestreiten. Meiner werten Leserschaft, meinen Abonennten und Weggefährten, die mir die Treue halten und mich mit Dank und Ideen unterstützen, wünsche ich am Ende dieses Jahres alles Gute, Glück und Gesundheit.

… Zum neuen Jahr ein neues Hoffen.
Die Erde wird noch immer grün …

 

Herzlichst, euer Ralf, der am liebsten Bildergeschichten macht.

 

Und hier gibt es noch eine Zugabe. Ob ihr wohl die Orte in Eggenstein und Leopoldshafen erkennt?

 

Indian Summer

Die Friedhofskultur in Deutschland ist Immaterielles Kulturerbe. Auf Empfehlung der Deutschen UNESCO-Kommisssion hat im März 2020 die Kultusministerkonferenz die Aufnahme in das Bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes beschlossen.

Menschen nach innen bewegen, Gesellschaft nach außen prägen.

„Dieses immaterielle Erbe umfasst nicht die Friedhöfe an sich, sondern die „lebendigen Ausdrucksformen, die von menschlichem Wissen und Können getragen, von Generation zu Generation weitervermittelt und stetig neu geschaffen und verändert werden“, wie es die deutsche UNESCO-Kommission formuliert. In Bezug auf die Friedhofskultur betrifft dies zwei große Themenfelder: Zum einen geht es darum, was wir auf dem Friedhof tun: trauern, erinnern und gedenken sowie gestalten, pflegen und bewahren. Zum anderen würdigt die Ernennung zum Erbe den vielfältigen Wert der Friedhofskultur für unsere Gesellschaft: kulturell, sozial oder historisch, aber auch in Bezug auf Klima- und Naturschutz, gesellschaftliche Integration oder nationale Identität.“ Dies und noch viel mehr liest man auf der Seite von kulturerbe-friedhof.de

Um den Indian Summer zu erleben müssen wir nicht in die USA reisen. Im Kleinen erleben wir die farbenprächtigen Lichtspiele auf unseren Friedhöfen. Am frühen Vormittag, sobald die Wolkendecke aufreißt und die Nebelschwaden entschwinden, die wie weiße Tücher auf der Szenerie liegen, beginnt das Leuchten. Und mit dem Strahlen fluten wohlige Gefühle Geist, Seele und Körper. Eigentlich gehen mich diese Gräber gar nichts an. Eigentlich. Mein Grab ist woanders. Es ist die Gesamtheit der Anlage, das Konglomerat aus Geschichte, Zeit, Denkmalen, Kitsch, Nippes. Den alten ehrwürdigen Bäumen aus aller Welt, die jetzt um die Wette leuchten. Es ist die Symbolik, die sich an vielen Details erkennen lässt, die mich an Schmerz, Trauer, aber auch an Erneuerung, Wertschätzung und Dankbarkeit erinnern.

Auf der Schattenseite einer kleinen Treppenmauer wächst der Rotstielige Streifernfarn. Ja, er führt ein Schattendasein. Aber ohne diesen Lebensraum kann er nicht existieren. Und wir laufen daran vorbei, ohne ihn zu beachten. Unten angekommen blicken wir auf das triste Gräbefeld der Gefallenen aus dem Zweiten Weltkrieg. Wir sind auf dem Hauptfriedhof in Baden-Baden. Die Ortsangabe ist überflüssig. Kriegsgräber haben wir auf allen unseren Friedhöfen. Mahnende Denkmale, um unsere Gegenwart besser zu gestalten? Im Hintergrund wird ein einzelnes Bäumchen vom Sonnenlicht erstrahlt. Gerade so als will es sagen “Macht es besser”! Eine bedrückende Szenerie. Doch das leuchtende Bäumchen vermittelt Hoffnung.

Auf dem Friedhof

von Joachim Ringelnatz

Dort ruhen sie unter bunten Hügeln.
Unsere Augen sehen sie nimmer erwachen.
Auf der Mauer hockt mit gebrochenen Flügeln
Das Lachen.

Fern in den Wolken verhallt die Klage.
Bittere Tränen trocknet der Wind,
Und aus Kränzen stiehlt sich die zitternde Frage:
Wohin sie gegangen sind.

Herbst

von Christian Morgenstern

Zu Golde ward die Welt;
zu lange traf
der Sonne süßer Strahl
das Blatt, den Zweig.
Nun neig
dich, Welt, hinab

Bald sinkt’s von droben dir
in flockigen Geweben
verschleiernd zu –
und bringt dir Ruh,
o Welt,
o dir, zu Gold geliebtes Leben,
Ruh.

Die Auswahl der Bäume verleiht diesem Ort eine besondere Würde. Die gelben schlanken sind säulenförmig wachsende Tulpenbäume. Die orange farbenen sind Amberbäume. Liriodendron und Liquidambar sind in den USA beheimatet. Sie gedeihen auch bei uns. Aus Versteinerungen wissen wir, dass beide vor der letzten Eiszeit bei uns ebenfalls heimisch waren. Das war vor 10.000 Jahren. Nach der Eiszeit war eine natürliche Wiederansiedlung nicht gegeben, da unsere von Ost nach West verlaufenden Gebirge dies unmöglich machten. In den USA sind die Gebirge einwanderungsfreundlicher, da sie von Nord nach Süd verlaufen. Deshalb sind wir froh, dass wir schlaue Gärtner haben, die solche Baumschätze wieder ansiedeln. Im dritten Bild blicken wir auf das Gärtner betreute Grabfeld der Genossenschaft Badischer Friedhofsgärtner. Auch sie bemüht sich um die Erhaltung der Friedhofskultur. Es ist der Friedhof in Sinzheim.

Die Fliegenpilze sind im Friedhof Varnhalt. Die anderen Momentaufnahmen stammen aus Steinbach bei Baden-Baden. Wir sehen, kein Kirchhof gleicht dem anderen. An jedem Ort entdecken wir eine Vielfalt interessanter Themen. Die Verleihung des Prädikats Immaterielles Kulturerbe geschah zurecht. Diese Würdigung trägt zum Erhalt dieser Orte bei. Nachhaltigkeit war noch nie ein Fehler.

Herbst in der Heimat. Von wegen langweilige Friedhöfe.

Ralf Schreck – der sich aber auch wieder auf den Mai freut.

Herbst in der Heimat

Die Gelegenheit nutzen und vom geplanten Weg abweichen. Der Blick in den Himmel verspricht schöne Ansichten. Gewagt, getan, belohnt. Nach zwanzig Minuten war die besondere Lichtstimmung vorbei und graue Wolken erinnerten an den bevorstehenden trüben November. Als das Licht am schönsten war kam Uwe vorbei. Wir treffen uns oft an der Gemeinschaftsschule und wechseln jedes Mal freundliche Worte. Er hat den Schulhund dabei, dem es gar nicht gut geht. Er ist betagt und hat ein Rückenleiden. Doch Uwe kümmert sich um ihn.

Herbst
von Theodor Fontane

O du wunderschöner Herbst,
Wie du die Blätter golden färbst,
Deiner reinen Luft so klar und still,
Noch einmal ich mich freuen will.

Ich geh den Wald, den Weiher entlang;
Es schweigt das Leben, es schweigt Gesang,
Ich hemme den Schritt, ich hemme den Lauf
Erinnerungen ziehen herauf.

Erinnerungen sehen mich an,
Haben es wohl auch sonst getan.
Nur eins hält nicht mehr damit Schritt.
Lachende Zukunft geht nicht mehr mit.

Vergangenheit hält mich in ihrem Bann,
Vergangenheit hat mir’s angetan;
Den Blick in den Herbst, den hab ich frei,
Den Blick in den Herbst. Aber der Mai?

 

Eine gewisse Melancholie kann ich nicht leugnen. Doch die Lichtspielereien dieser goldenen Momente lassen mich die Verzagtheit vergessen. Auch in Leopoldshafen ist der goldene Herbst angekommen.

O trübe diese Tage nicht
von Theodor Fontane

O trübe diese Tage nicht
Sie sind der letzte Sonnenschein;
Wie lange, und es lischt das Licht,
Und unser Winter bricht herein.

Dies ist die Zeit, wo jeder Tag
Viel Tage gilt in seinem Wert,
Weil man’s nicht mehr erhoffen mag,
Dass so die Stunde wiederkehrt.

Die Flut des Lebens ist dahin,
Es ebbt in seinem Stolz und Reiz,
Und sieh, es schleicht in unsern Sinn
Ein banger, nie gekannter Geiz;

Ein süsser Geiz, der Stunden zählt
Und jede prüft auf ihren Glanz –
O sorge, dass uns keine fehlt,
Und gönn uns jede Stunde ganz.”

Ralf Schreck – der öfter mal den Weg verlässt und dabei Neues entdeckt in der Herbst Heimat

An die Natur

oder neulich “Im Stadtgarten”

Ja, ich war wieder einmal im Stadtgarten und Zoo Karlsruhe. Eigentlich wollte ich die “Schwarzen Hornissen” dort finden, weil es eine Meldung hierfür gab. Mittels Telemetrie sollte das Nest geortet werden, um es danach zu vernichten. Aber das ist eine andere Gesichichte.

Der Anlass war gegeben und ich ließ mich auf ein kleines Abenteuer ein. Es war ein sehr schöner und sonniger Herbstsommertag. Anreise mit der Straba, Ticket zuvor online gebucht, am Eingang 3G vorgezeigt und schon ging es los. Sobald ich am ersten Prachtbeet stand, holte mich die Vergangenheit ein. 1982 bis 1984, während der Zeit meiner Baumschulgärtnerlehre, hatte ich Jahreskarten für den Stadtgarten. Die nutzte ich nach dem Berufsschulunterricht, um in den großzügigen Anlagen dort meine dendrologischen Kenntnisse zu vertiefen. Der Schulunterricht war am Mittag zu Ende und im Anschluss schlenderte ich ins städtische Grün.

Das Prachtbeet beim Eingang Hauptbahnhof

Beim Lustwandeln durch die großzügigen Anlagen ist mir so manches Gedicht in den Sinn gekommen.

Die Allee – Christian Morgenstern

Ich liebe die graden Alleen
mit ihrer stolzen Flucht.
Ich meine sie münden zu sehen
in blauer Himmelsbucht.

Ich bin sie im Flug zu Ende
und land’ in der Ewigkeit.
Wie eine leise Legende
verklingt in mir die Zeit.

Mein Flügel atmet Weiten,
die Menschenkraft nicht kennt:
Groß aus Unendlichkeiten
flammt furchtbar das Firmament.

 

Natürlich gehen die Menschen in den Zoo, um Tiere zu sehen. Exotische Tiere. Das kann man natürlich, muss man aber nicht. Schon als Kind ist mir aufgefallen, dass es nicht gut sein kann, wenn man Löwen und Tiger in vergitterten und verglasten Betonkäfigen zur Schau stellt. Gewiss, heute hat sich einiges geändert und der Artenschutz ist auch in den Zoo gekommen. Es gibt Programme, um vom Aussterben bedrohte Arten im Zoo zu erhalten, zu züchten und irgendwann wieder auszuwildern. Eigentlich paradox. Oder?

 

Blätter – Rainer Maria Rilke

Die Blätter fallen,
fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

Wasser spielt eine große Rolle im Stadtgarten. Das Wasserspiel am Rande des Gartens ist zeitlos. Es ist so antiquirt, dass es schon wieder cool ist. Die altbackenen steinernen Wassersäulen betonen das Sprudeln und Fließen des Wassers. Der Lebensquell, der scheinbar immerzu fließt, symbolisiert das Werden und Vergehen. Über fünf Säulen sprudelt das Wasser aus der dunklen Tiefe empor und ergießt sich über Kaskaden in zwei Bassin. Wenige Momente genügen, um sich von dieser Situation fesseln zu lassen. Die Musik des herab stürzenden Wassers beruhigt die angespannte Seele. Das fließende Wasser setzt plötzlich neue Gedanken frei.  Durch diese gewonnene Unbefangenheit entdecke ich das bunte Laub im Bassin, welches durch die stete Unterströmung gefangen bleibt. Die vielen Tropfen auf den schwimmenden Blättern sind die Tränen des Sommers, der uns allmählich verlässt. Auch die Tage der Blätter sind gezählt. Bald werden die Stadtgärtner kommen, um die Bassins zu säubern. Dann lebt diese Illusion nur noch in meiner Phantasie.

Je weiter ich wandere, umso mehr freut sich mein Gärtner Herz. Ich gelange durch unterschiedliche Kompartimente, die bunt oder nüchtern sind. Jedes hat seine eigene Ausstrahlung. Die Blütenfülle der Herbstanemonen sucht Ihresgelichen! Ein Traum in Weiß! Im Wechselspiel des frühen Lichts werden einzelne Blütenköpfe besonders bestrahlt. So als wollten sie sagen “hierher, schaut mich als erstes an!” Die Morgensonne bringt die altehrwürdige Platanenallee zum Leuchten.

 

An die Natur

von Friedrich Leopold zu Stolber-Stolberg 1750-1819

Süße, heilige Natur,
Laß mich geh’n auf deiner Spur,
Leite mich an deiner Hand
Wie ein Kind am Gängelband!

Wenn ich dann ermüdet bin,
Sink’ ich dir am Busen hin,
Atme süße Himmelslust
Hangend an der Mutterbrust.

Ach! wie wohl ist mir bei dir!
Will dich lieben für und für;
Laß mich geh’n auf deiner Spur,
Süße, heilige Natur!

Der Garten bietet für jede Stimmung einen eigenen Raum. Eben noch überschäumende Blütenfülle, jetzt ein grünes Ruhezimmer. Zu bestimmten Zeiten scheint just auf “meine Bank” die Sonne und lädt ein zum Verweilen. Langweiliges Grün? Lebendiges Grün hat unendlich viele Nuancen. Und jede einzelne davon trifft auf den entsprechenden Nerv. Das spricht mich an. Vorne die streng in Form gepressten Hainbuchen, dahinter die frei wachsenden Platanen in ihrer wilden Schönheit. Eine solche Widersprüchlichkeit gestalterisch für uns Menschen darzustellen, das ist die hohe Gartenkunst. Auch ohne Worte geht jeder Mensch, der ein bißchen Herz hat beruhigt weiter, nach solch einem Anblick.

Offenbarung

von Hermann Rollet 1819 -1914

Natur spricht laut in Wort und Schrift
Du mußt nur Windeswehen
Und Duft und Klang und Wald und Trift
Und Fels und Meer verstehen!

Ein jeder Baum, der braust in Wettern,
Und jede Blume auf der Flur,
Und jeder Zweig ist voll von Blättern
Der Offenbarung der Natur.

Auf jedem Blatt steht licht und offen:
“O glaub’ an helle Frühlingsluft!”
Auf jedem Blatt steht grünes Hoffen,
Still flüsternd um die Blumenbrust.

Auf jedem Blatt steht groß geschrieben:
“Der Geist der Lieb’ durchweht die Flur!”
Auf jedem Blatt steht: “Lieben! lieben!”
Als Offenbarung der Natur.

 

(1819 – 1904)

 

Wer stets mit der Natur gelebt

von Alois Wohlmut 1880-1919

Wer stets mit der Natur gelebt,
Von ihr beglückt, mit ihr verwebt,
Das erste Grünen, erste Sprossen
Als tiefersehntes Glück genossen;
Am ersten Glöckchen sich entzückte,
Das grüßend aus der Erde blickte,
Dann an den Veilchen, wilden Rosen,
Bis zu den letzten Herbstzeitlosen: –
Ist, wenn er Achtzig hat vollbracht,
Zum Leben achtzig Mal erwacht.

Die Herbst Krokusse findet man auf einer Wiese am Ufer des Stadtgartensees, die nur von den Vögeln und den Stadtgärtnern betreten werden darf. Heimische Natur darf sich mittlerweile auch im Stadtgrün ausbreiten, bzw. wird gezielt gefördert.

Der Stadtgartensee teilt den Garten. Vom Bahnhof kommend befindet sich der Zoo rechter Hand, links erstreckt sich der Stadtgarten. Die Übergänge verlaufen jedoch auch fließend. Tiere und Pflanzen gibt es hüben wie drüben. Fließend sind auch die Wasserspiele. Sie folgen dem Klang der Musik.

Die Tiere im Zoo und Stadtgarten. Wir sehen eingesperrte und frei lebende. Hinzugezogene sozusagen. Die Eingesperrten kenne ich. Mein Interesse liegt an den Tieren, die ohne Käfig ihr Leben führen dürfen. Auch wenn sich die Philosophie der Tierhaltung in Zoos in den vergangenen Jahren verändert hat, so sehe ich dies kritisch. Aktuell (Oktober 2021) haben die Luchse ihr neues Gehege bezogen, welches 10 Mal größer ist, als das alte. Von 110 Quadratmetern auf 1.100 ist schon eine Verbesserung. Die Biologie und das Wesen der Luchse erfordern jedoch noch viel größere Flächen. Auch das Zusammenhalten der beiden Jungtiere mit den Erwachsenen ist nicht richtig, weil es einfach nicht artgerecht ist. Luchse sind Einzelgänger und treffen nur in der Paarungszeit aufeinander. Jungtiere verlassen nach der Jugendzeit ihr Geburtsrevier, bzw. werden vertrieben. Ein Auswilderungsprojekt ist löblich, dann sollte es auch richtig vonstatten gehen. Alles andere ist nicht gerecht, nicht artgerecht. 

Tiere im Zoo können auch frei leben.

Die Bremer Stadtgarten Musikanten. Dieses Quartett ist einigermaßen versteckt am Pfeiler einer Brücke angebracht. Hat es das verdient? Immerhin hat der Künstler durch seine Arbeit diesen Tieren ein bißchen zu Unsterblichkeit verholfen. Was er sich bei diesem Mosaik wohl gedacht hat? In vielen Stunden ist es entstanden. Wie groß war wohl seine, bzw. ihre Vorfreude auf die Fertigstellung?

Die “Schwarzen Hornissen” habe ich übrigends nicht gefunden. Natur hat eben ihren eigenen Lauf.

Ralf Schreck – Stadtgarten Freund

Leben

Was ist das Leben? Besinnliche Geschichten aus der Heimat. Erlebtes und erfahrenes unterlegt mit Bildern.

Jakob Loewenberg – 1856-1929 hat es so beschrieben.

Leben

Ein Tropfen gleitet am Baum herab,
erst langsam, zitternd, sachte, sacht.
dann immer tiefer, schneller, schnell
bis in der Erde dunkle Nacht.

Wo war er nur? Was blieb von ihm?
Ein Hauch, der spurlos sich verliert.
Ob nicht der Baum im tiefsten Mark
Den kleinen Tropfen doch gespürt?

Noch sind die Tropfen im Spinnennetz gefangen. Gelangen sie noch ins Mark, oder steigen sie mit der Sonne, die hinter den Wolken steht wieder in den Himmel? Schicksal, wie ist deine Bestimmung?

Ferdinand Raimund -1790-1836 sieht das Leben so.

Das Hobellied

Da streiten sich die Leut herum
Oft um den Wert des Glücks;
Der eine heißt den andern dumm,
Am End’ weiß keiner nix.
Da ist der allerärmste Mann
Dem Andern viel zu reich,
Das Schicksal setzt den Hobel an
Und hobelt’s beide gleich.

Die Jugend will halt stets mit G’walt
In allem glücklich sein;
Doch wird man nur ein bissel alt,
Dann gibt man sich schon drein.
Oft zankt mein Weib mit mir, o Graus!
Das bringt mich nicht in Wut,
Da klopf ich meinen Hobel aus
Und denk du brummst mir gut.

Zeigt sich der Tod einst mit Verlaub
Und zupft mich: Brüderl, kumm,
Da stell ich mich in Anfang taub
Und schau mich gar nicht um.
Doch sagt er: Lieber Valentin,
Mach keine Umständ’, geh!,
Da leg ich meinen Hobel hin
Und sag der Welt Ade.

Das blühende Leben und der Tod. Die Mamas/Omas sind voraus gegangen. Vergessen sind sie nicht.

In meinen Augen hat Rainer Maria Rilke zum Leben die schönsten Worte gefunden. Den Gewittersturm beobachten wir beim Ausblick auf die Heidelberger Straße. Auch die ziehenden Wolken in allen Farben und Schattierungen sehen wir vom Wohnungsfenster. Den Falken sehen wir in fast jedem Kirchturm. Den großen Gesang verdanken wir Lisa Heger und ihrer einzigartigen feinen Stimme. Dieses Lied habe ich in der evangelischen Kirche Leopoldshafen aufgenommen, anläßlich der Aufzeichnung eines Gottesdienstes während der Corona Pandemie. Das sind Geschichten, die das Leben schreibt.

Leben ist überall. Dabei haben Kirchen eine besondere Bedeutung. Viele Menschen werden darin getauft, begehen das Fest der Ehe und werden mit dem Tod darin verabschiedet. Und es gibt noch das “drum herum”. Der Kirchplatz der evangelischen Kirche in Eggenstein gehört dazu. Unzählige Feste und Feiern wurden dort begangen. Dieser Platz gehört zu unseren schönsten Begegnungsstätten. In einer lauen Sommernacht 2018 hatten wir dort eine Begegnung der besonderen Art. Es gelang uns den ersten Ausflug der Schleiereulen zu beobachten.

Das Titelbild des Videos zeigt den Kirchplatz mit dem Handwerker und Gewerbebaum. In den einzelnen Wappen spiegelt sich die Vielfalt des dörflichen Lebens wider. Die alten Bäume umrahmen diesen schönen Platz. Die aufgestellten Bänke laden ein zum Verweilen.

Die Katholische Kirche in Leopoldshafen und die anliegenden Flächen laden ebenfalls zum Verweilen. Auf dem Foto von Karl Ueberle aus dem Jahre 1974 sehen wir “nur” die Kirche und einen funktionalen Platz. Heute, 2021 sehen wir, wie unsere Gemeinschaft größer geworden ist. Sie ist gewachsen, so wie diese Kastanie größer geworden ist. Wir sind mündiger geworden, wir möchten mitreden. Wir haben Probleme erkannt, die wir lösen möchten. Wir haben dank unseres Seniorenbeirats eine Mitfahrbank, einen öffentlichen Bücherschrank und dank unserer Agenda Gruppe Umwelt eine ebenfalls öffentlich nutzbare Kräuterspirale.

Drei Themen an einem Platz. Haben wir ein Luxus Problem? Nein, haben wir nicht. Das sind genau die Dinge, die unser Leben schöner machen. Sie fördern unsere Gemeinschaft. Es ist eine kleine Vielfalt. Und wer hatte die Ideen dazu? Genau, wir. Menschen wie du und ich. Menschen, die sich in kleinen Gemeinschaften zusammen finden und versuchen ihre Ideen mit ihrer Gemeinde zu verwirklichen. In diesem Fall sind auch die Kirche und die Sponsoren beteiligt. Sind alle von deren Argumenten überzeugt, bringt jeder seinen Teil ein und es entsteht ein Ganzes. Und das steht allen von uns zur Verfügung. Ist das nicht ein Grund dankbar zu sein? Nehmen wir nicht alles als selbstverständlich an, sondern zeigen auch die angemessene Wertschätzung gegenüber allen Beteiligten.

Die Antwort hierfür finden wir im Bücherschrank.

Teilnahme am Leben und die Möglichkeiten zu haben seine Ideen und Gestaltungsvorschläge umsetzen zu können ist eine großartige Sache. Das ist sinnhaft, bringt Freude und schafft neue Vorbilder, auf die wir hinauf sehen können.

Eine Gesellschaft wird auch daran bewertet, wie sie mit ihren Toten umgeht. Die Kriegsgräber auf unseren Friedhöfen erzählen mahnende Geschichten vom Leben und Sterben zu Kriegszeiten. Legen wir für unsere Nachfahren eine bessere Saat, damit eine gute Frucht daraus wird?

Der Wunsch nach Teilhabe am Leben hört auch im Alter nicht auf. Oft sind es die kleinen und vertrauten Dinge, die den Seelenschmerz vertreiben. Ich bin dankbar, dass wir einen solch schönen Bürgerpark vor unserer Haustüre haben. Es ist ein echter Generationenpark. Hier tummeln sich Alt und Jung. Jede und jeder kommt dort auf ihre und seine Kosten! Nicht nur Menschen, deren Lebensradius eingeschränkt ist, können dort den Wandel durch die Jahreszeiten hautnah erleben.

Sieht aus wie ein Urwaldfluß, ist aber “nur” der Pfinzkanal bei Eggenstein am Hardtwald. Im letzten Bild sieht man den schlammigen Zustand nach einem Monsunregen. Mit Phantasie natürlich. Die habt ihr doch? Oder?

Die Lindenallee. Sie hat sich prächtig entwickelt und steht sozusagen “gut im Futter”. Umstritten und beliebt. Je nach Standpunkt. Förster und Landschaftsplaner haben eines gemeinsam. Sie können in die Zukunft sehen. Das heißt sie haben eine konkrete Vorstellung davon, wie eine Planung im fertigen Zustand aussieht. Es sind Menschen mit Visionen, die allzu oft überhört werden, weil Kurzsichtigkeit bei manchen Zeitgenossen eine höhere Priorität haben.

Lindenallee die Zweite. Jetzt zur Vollblüte, am 20. Juni. Welch ein Duft. Welch ein Gesumme von tausenden von Bienen. Dabei musste ich an Bernhard denken und wollte ihm ein Dankesbild senden. Jetzt ist mir der Bericht im aktuellen Amtsblatt zuvor gekommen. Auch gut. Wohin wird uns dieser Alleenweg führen? Ins Glück? Oder ins Ungewisse? Die Antwort überlasse ich euch.

Ralf Schreck – der gerne einen Sinn im Leben sieht.

Ein Kessel Buntes

Wer Lust auf “Bunt” hat, der spaziert beim Andi Bräu ins Tiefgestade hinunter. Zunächst blicken wir beim Absturzbauwerk hinab in die Landschaft, dann erkennen wir sofort, was uns erwartet. Das aktuelle Wetter zaubert herrliche Wolkenspielereien. Mal kommt die Sonne durch, mal nicht. Licht und Schatten bilden ein Katz und Maus Spiel. Da der April zu kalt war ist unser Frühling anders, als in den vergangenen Jahren. Es blüht überall länger und scheinbar bunter.

Diesen Weg und diese Strecke sind wir schon oft geradelt. Das spannende dabei ist, dass es jedes Jahr anders ist. Künstlerin Natur eben.

Ist das nicht wie eine Offenbarung?

Offenbarung

Natur spricht laut in Wort und Schrift
Du mußt nur Windeswehen
Und Duft und Klang und Wald und Trift
Und Fels und Meer verstehen!

Ein jeder Baum, der braust in Wettern,
Und jede Blume auf der Flur,
Und jeder Zweig ist voll von Blättern
Der Offenbarung der Natur.

Auf jedem Blatt steht licht und offen:
“O glaub’ an helle Frühlingsluft!”
Auf jedem Blatt steht grünes Hoffen,
Still flüsternd um die Blumenbrust.

Auf jedem Blatt steht groß geschrieben:
“Der Geist der Lieb’ durchweht die Flur!”
Auf jedem Blatt steht: “Lieben! lieben!”
Als Offenbarung der Natur.

Hermann Rollett – (1819 – 1904), österreichischer Dichter

Der Regen war wichtig. Die Vegetation hat hat es mit den vielen Blüten gedankt. Unsere Dämme sind bunter denn je. Oder sehen wir es deshalb nur so, weil unsere Sehnsucht nach Normalität so hoch ist? Wer beim Anblick dieser Blumenmeere nicht ins Träumen kommt, der hat das Leben nicht verstanden. Jetzt sollte man heiraten, eine schönere Kulisse finden wir nicht. Dürfte ich mir einen Platz zum Sterben wünschen, dann wäre es im Mai, dort unten bei den Blumen, den bunten.

Ralf Schreck – Naturfreund