Volkstrauertag

Auf Spurensuche 100 Jahre Erster Weltkrieg in Eggenstein und Leopoldshafen

RhMF22 – 1917 – Dusseldorf, das sind Gravierungen am Boden einer metallenen Blumenvase. Braun metallisch, etwa 22 cm hoch und 8 cm im Durchmesser. Die Oberfläche ist bearbeitet und der Künstler hat eine stilisierte Eiche mit Laub und Eicheln heraus gepunzt. Das passt zu einer Vase. Beim näheren Betrachten erkennt man weitere Verzierungen. 1914 – Romagne – 1918 ist zu lesen. Ein Souvenir als Andenken an Romagne in Frankreich aus dem Ersten Weltkrieg. RhMF steht für Rheinische Munitionsfabrik Düsseldorf und diese Vase ist die Hülse einer abgefeuerten Artillerie Granate, die Menschen zerfetzte. Produziert 1917. Der Künstler war mein Opa Franz Wöppel. Als Bauschlosser fiel es ihm leicht eine solche „Grabenkunst“ zu schaffen. Es gibt eine zweite Vase und einen Aschenbecher für seine Zigarren. Zum Glück gibt es mehr, denn Franz hat den Ersten Weltkrieg überlebt. Er war Sanitätssoldat, wurde mit der Bayerischen Tapferkeitsmedaille ausgezeichnet, weil er seinen verletzten Unteroffizier aus dem Schlachtfeld barg. Obwohl er verwundet wurde, kam er vom Krieg nach Hause. Nie habe ich ihn über die Erlebnisse aus dieser grausamen Zeit reden hören. Diese Zeit hat ihn gezeichnet, ebenso die in der Heimat verbliebenen Familien, deren Väter und Großväter auf den Schlachtfeldern blieben. Eine solche Spurensuche ist auch Thema am Volkstrauertag, am Sonntag 18.11.2018, welches in einer Gedenkfeier in der Friedhofskapelle Leopoldshafen gewürdigt wird. Der Volkstrauertag ist in Deutschland ein staatlicher Gedenktag und gehört zu den sogenannten stillen Tagen. Er wird seit 1952 zwei Sonntage vor dem ersten Adventssonntag begangen und erinnert an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltbereitschaft und Gewaltherrschaft aller Nationen. Nehmen wir uns deshalb die Zeit, besuchen wir diese Gedenkveranstaltung, denn Gewalt, Krieg, Vertreibung, Hass, Fake News, Egoismus, sind ganz aktuelle Themen, denen wir uns annehmen müssen.

Ralf Schreck für die Agenda Gruppe Ortsgeschichte

Franz hat seine Kriegserlebnisse mit ins Grab genommen. Was blieb sind seine Sanitätsschürze, ein Mehrweg Spritzenset, seine Auszeichnungen, der Entlassungsschein, sowie die umgearbeiteten Granatenhülsen. Dieser Krieg hat ihn gezeichnet, dass er Lehren daraus gezogen hat, erkennt man daran, was er aus seinem Leben gemacht hat. Darüber werde ich an anderer Stelle berichten.

Tabak

Tabak

Wir alle wissen, Rauchen ist schädlich. Mein Opa Franz hat Zigarren geraucht. Immer. Und wenn er einmal nicht rauchte, war er krank. Wenn dann meine Oma Otti sagte, er hat sich gerade eine Zigarre angezündet, dann wussten alle, dass er wieder gesund war. So war das. An den Zigarrenduft kann ich mich erinnern. Irgendwie fein und süßlich, gar nicht unangenehm. Franz war auch kein exzessiver Raucher. Seine Pfeife hat er sich selbst gebaut. Er hatte bestimmt mehrere aber die eine ist erhalten geblieben. Auch den Aschenbecher hat er sich selbst geschlossert. Er hat drei Ablagen für die Stumpen und einen Aufnehmer für eine Schachtel Streichhölzer. Erst später habe ich erfahren, dass er den Ascher aus einer leeren Granatenhülse gebaut hat. Franz war Sanitätssoldat im 1. Weltkrieg und kam einigermaßen unbeschadet wieder nach Hause. Es gibt auch noch zwei Blumenvasen mit Verzierungen, die ebenfalls aus Granatenhülsen gebastelt sind. Man nennt das Grabenkunst. Damit haben sich die Soldaten zwischen Leben und Sterben die Zeit vertrieben. In unserem Heimatmuseum kann man solche Exponate auch sehen. Ebenfalls gibt es dort Tabakspfeifen in verschiedenen Ausführungen. Auch schöne aus Porzellan. Im Speicher sind diverse Tabakverarbeitungsgeräte zu sehen.

Tabak war früher eine wichtige landwirtschaftliche Kultur. Früher haben auch alle Männer geraucht. Die Schädlichkeit des Rauchens gehörte damals zum Lebensschicksal und wurde dort schon nicht abgestritten. An die Tabakfelder in der Hardt kann ich mich noch erinnern. Bis in die 70er Jahre gab es noch Tabakanbau in der Umgebung. Wir Buben haben uns allerdings keine Zigaretten gekauft, nein, wir sind in den Rheinwald geradelt und haben uns von den Waldreben zigarettengroße Lianenstücke geschnitten und haben dann diese geraucht. Anschließend war uns schlecht und dann sind wieder nach Hause.

Auch Leopoldshafen hatte Tabakanbau. Auf einem alten Foto blickt man in einen Hof und erkennt, wie der Landwirt gerade dabei ist, einen gebündelten Strang Tabak auf zu hängen. Ein anderes Bild zeigt einen Tabakschuppen, der unterhalb des Friedhofes und gegenüber dem heutigen Feuerwehrgerätehause stand.

Mein Opa Franz blickt stolz in die Kamera meines Vaters. Hat er doch seine beiden Enkel bei sich sitzen. Er hat nie vom Krieg gesprochen. Er hat überhaupt nie viel gesprochen. Aber auf diesem Bild sieht er zufrieden aus. Auf dem Tischchen sieht man die Rauchutensilien meines Vaters. Das kupferne Tablett gibt es noch, die Zigarettenbox, Streichholzhalter und das andere sind verschollen. Das brauchen wir auch nicht mehr. Mein Vater war starker Raucher, bis es ihm schlecht ging und sein Arzt meinte er solle damit aufhören. Dann hat er es von jetzt auf nachher bleiben lassen und das ist schon über 40 Jahre her!

Warum ich das schreibe? Solche Geschichten fallen mir ein, wenn ich eines unserer Museen besuche und dann bei einer Vitrine nachdenklich stehen bleibe. Dinge werden dann plötzlich lebendig, Geschichte wird dann wieder lebendig. Ist es nicht toll, dass wir gleich zwei reichlich ausgestatte Museen haben?

Ralf Schreck – der nie wirklich richtig geraucht hat

Fotos aus drei Generationen

PS = Philipp Schreck – RMS = Ralf Schreck – LRS = Lukas Schreck – GÜ = Gerhard Überle

 

Opa Franz mit Zigarre
War nur eine Eintagsfliege