Landwirtschaft und Insektensterben

Landwirtschaft und Insektensterben

Dem aufmerksamen Beobachter sind bestimmt schon die großen Gründüngungsflächen im Wörth in Leopoldshafen aufgefallen. Nach der Ernte hat der Landwirt diese Flächen mechanisch bearbeitet, reifen Kompost vom Kompostplatz eingebracht und eine artenreiche Gründüngungsmischung ausgesät. Nach wenigen Wochen ist diese Saat aufgelaufen und hat sich zu einer blütenreichen Wiese entwickelt. Einerseits wird dadurch der Boden für die Fruchtfolge im kommenden Jahr vorbereitet, andererseits entwickelt sich ein interessanter Lebensraum, der zahlreiche Insekten und Niederwild wie Fasane anlockt. Solche Gründüngungsflächen gibt es in großen Flächen in beiden Ortsteilen und was dabei auffällt ist, dass man sie zu unterschiedlichen Zeiten im Jahr blühen und fruchten sieht. Gerade im Hochsommer, wenn das Nahrungsangebot für Insekten allmählich knapp wird, bieten solche Flächen eine wichtige Nahrungsquelle. Nach der Blüte reifen die Samen, die dann viele Vögel anlocken. Dies ist ein wertvoller Beitrag unserer Landwirtschaft, sich am Artenschutz zu beteiligen. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass Insekten ganzjährigen Lebensraum benötigen, denn es bedarf nicht nur Nahrung für die fertigen Insekten, sondern auch für deren Entwicklungsstadien wie Larven und Raupen. Die Diskussion, die beim Vortrag zum Insektensterben, den die Freien Wähler organisierten, war sehr aufschlussreich. Am Insektensterben sind wir alle beteiligt und es kann nur Lösungen geben, wenn sich alle Beteiligten für Lösungen bemühen. Die landwirtschaftlichen Gründüngungsflächen sind hierfür ein wertvoller Ansatz. Berichte über Lösungsvorschläge der anderen Beteiligten folgen.

Ralf Schreck für die Agenda Gruppe Umwelt

Diese Flächen im Wörth beobachte ich seit 2016. Bei jedem Gang zur Wildkamera komme ich dort vorbei und entdecke die Veränderungen. 2016 gab es dort Maisanbau und im September trafen wir uns mit den Jagdpächtern, um die Schäden durch die Sauen zu begutachten. Es gab eine Fotoerkundung per Drohne. Dabei wurden sowohl Wild- als auch Trockenschäden sichtbar. Nach der Maisernte wurde der Boden vorbereitet und Getreide gesät. Ende Juli 2017 gab es dann die Getreideernte, danach durfte dieses große Feld mit der Aussaat einer Gründüngungsmischung ruhen. Danach gab es wieder Mais. Das ist die Kurzform der Beschreibung der Fruchtfolgen dort unten im Wörth. Die Geschichten auf den Fotos sprechen für sich.

Landwirtschaft ist nicht gleich Landwirtschaft. Wer glaubt Landwirtschaft sei ein einfaches Geschäft, der irrt. Es gibt Unwägbarkeiten wie Wildschäden, Abhängigkeiten vom Wetter, Abhängigkeiten vom Weltmarkt. Die Maisernte des kommenden Jahres ist bereits jetzt verkauft. Da darf nichts Außergewöhnliches dazwischenkommen. Gewiss, ein Mais oder Getreidefeld ist eine Monokultur und beide werden mit Pflanzenschutzmitteln behandelt, die fürs Insektensterben verantwortlich sind. Pflanzenschutzmittel sind teuer und werden deshalb zielgerichtet eingesetzt. Dort unten im Tiefgestade sind die Felder von Wald, Hecken, Wiesen und Streuobst umgeben und die Äcker sind in ihrer Fläche überschaubar. Anderswo sind sie Quadratkilometer groß. Wer das Geschehen auf den Feldern beobachtet, erkennt, dass nachhaltig gewirtschaftet wird. Wir leben in einer Kulturlandschaft, die bewirtschaftet wird. Dasselbe gilt für den Wald. Die Balance zu finden zwischen Ökonomie und Ökologie ist eine Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

Nicht schimpfen, dass dort alles „vermaist“ ist, oder „alles kaputt gespritzt“ wird. Einfach mal nur beobachten und fragen weshalb man was wie macht, ist der bessere Weg. Dann erfährt man auch, dass unsere Gartenabfälle, die wir brav zum Kompostplatz (und nicht außerhalb) bringen, als fertiger Kompost auf die Felder gebracht werden. Natürlich sind das reine Gartenabfälle, ohne Fremdstoffe, ohne Plastik und ohne Blaukorn Rückstände.

Wenn ich mit Hut und Kamera beobachtend am Feldrand hocke, bleibt der eine oder andere Passant bei mir stehen und erzählt, dass es früher mehr Fasane und Rebhühner in Massen gab. Und Feldhasen sind fast ganz verschwunden. Das sollte uns zu denken geben. Es gibt dort unten noch Tierwelt. Fasane beobachte ich regelmäßig, auch viele Rehe und vor der Wildkamera tauchen Wildschweine, Füchse, Dachse, Marder, Waschbären, Hauskatzen und viele Waldvögel auf. Vor dem Feld gibt es breite Wiesenstreifen, in der Nachbarschaft die für Hunde abgelegenen Grünlandwiesen, am Rheinniederungskanal die Streuobstbäume. Das ist eigentlich eine gute Mischung zwischen Kulturland und Naturbereichen, die wir bewusst betrachten sollten.

Eine verantwortungslose Landwirtschaft kann ich bei uns nicht erkennen. Man kann nicht von heute auf morgen auf Bio umstellen. Wir alle müssen unser Anspruchsdenken und Konsumverhalten überdenken und vor allem miteinander reden. Dann bekommen wir Fürsprecher für weitere Blühstreifen, Totholzhaufen und vieles mehr.

Herzlichen Dank an Jochen, der mir klaglos alle meine Fragen beantwortete.

 

Im Wörth in Schröck

Neues aus dem Revier von Edwin und Jochen –Neues von der Wildkamera

Kaum am Wiesenrand sitzend, versuchen sich die Augen in der Ferne zu entspannen. Der Alltagsstress ist plötzlich wie weggeblasen und schon ist man mitten drin im allerschönsten Abendvogelkonzert. Nach wenigen Minuten lassen sich die ersten Vogelarten zuordnen. Hier sind die Amsel und das Rotkehlchen, dort Blau- und Kohlmeise. Ein schwatzender Starenschwarm wird von einem einzelnen Zaunkönig übertönt. Die Mönchsgrasmücke flötet ihr Lied, nebenan zwitschert ein Rohrsänger, im Hintergrund feixt ein Fasanengockel sein metallisches Gackern. Im Nu ist man von diesem Zauber gefangen.

Pünktlich um 19.15 Uhr treten die Rehe auf die Wiese. Ja, plötzlich sind sie da, ein ganzer Sprung. Wenn man Glück hat sitzt am auch am richtigen Ort, denn es gibt dort unten mehrere Wiesen. Und falls man einmal „falsch“ sitzt kann man die Fasane beobachten. Der auffällige Gockel stolziert ohne Scheu übers Feld, die unauffälligen Hennen sind schon schwerer auszumachen. Der kleine Harem nimmt Sandbäder, pickt nach Getier und huscht nach einer Weile wieder ins Gestrüpp.

Störche schauen regelmäßig vorbei, sogar einen Purpurreiher können wir ausmachen. Die heimlichen Tiere nimmt die Wildkamera auf. Da ist der Marder, zwei Füchse schauen vorbei und auch zwei einzelne Sauen. Auch der Fasanentrupp zeigt sich und ein Häher inspiziert die Lage. Im Getreidefeld bei der Gärtnerei entdecken wir die vom Kälteeinbruch gestrandeten Kiebitze in einer Gruppe Graugänse. Während Tage später die Kiebitze wieder weiter zogen blieb ein Pärchen da und versuchte dort ein Nest zu bauen. Natürlich vergebens, denn nach der ersten Feldbearbeitung waren sie verschwunden.

Dennoch gibt es dort unten im Wörth eine reichhaltige Tierwelt. Die Dickichte zwischen den Wiesen, der Erlenbruchwald am Ortsrand von Leopoldshafen sind wichtige Lebensräume und Rückzugsgebiete fürs Wild. Für uns Menschen sind diese Ecken dort schier undurchdringlich, für die Natur ist es ein wichtiges Biotop. Daneben gibt es Landwirtschaft und Gartenbau. Spaziergänger, Radler, Hunde Freunde und gärtelnde Einwohner, die mit Pkw und Hänger ihren Grünschnitt zum Kompostplatz bringen. Jeder kommt auf seine Kosten, es ist ein ausgeglichenes Geben und Nehmen. Das sollten wir zu schätzen wissen. Gut, der Kiebitz ist verschwunden und baut sein Nest auf den Kiesflächen des Naturschutzgebietes Kohlplattenschlag bei Spöck. Das nehmen wir in Kauf.

Sollten wir etwas zurückgeben? Es ist eine zerbrechliche Welt, von Menschenhand geformt. Wir sollten behutsam damit umgehen, damit wir sie morgen auch noch lebenswert vorfinden. Am besten können wir das, wenn wir oft draußen sind und versuchen alle wirkungsvollen Zusammenhänge zu verstehen. Während ich am Wiesenrand sitze nähert sich langsam ein Geländewagen und ich frage mich, ob es mir jetzt wohl an den Kragen geht? Ach nein, es ist Jochen, der mich am Hut erkannt hat und mich freundlich begrüßt. Neben ihm sitzt sein Papa. Sie fahren ihre Felder ab und sehen nach dem rechten. Ich nutze wie immer eine solche Gelegenheit und frage ihn was im Moment gerade auf den Feldern ansteht. Er berichtet über seine Vorhaben, Pläne, kommende Ernten, Wettereinflüsse, Gründüngungspflanzen, Wildschäden durch Sauen, auch über Sorgen. Es ist eine verantwortungsvolle Landwirtschaft. Jochen kennt sich aus und sein Papa ist bestimmt stolz auf ihn, wie er die Felder bewirtschaftet und versucht die anstehenden Widrigkeiten zu meistern.

Es sind schöne Abende dort unten im Wörth. Nicht nur wegen Reh und Fasan. Ich werde auch von Radlern angesprochen, die mir dann von ihren Erlebnissen berichten und ich freue mich immer wieder, wenn ich Menschen begegne, die sich über ein kleines Gänseblümchen freuen können. Solche Erlebnisse müssen wir unbedingt teilen, deshalb nehme ich gelegentlich meine Söhne zum fotografischen Ansitz mit.

Seit dem 14. April ist auch der Kuckuck wieder zurück.

Ralf Schreck – der mit dem Hut am Feldrand sitzt