oder neulich “Im Stadtgarten”
Ja, ich war wieder einmal im Stadtgarten und Zoo Karlsruhe. Eigentlich wollte ich die “Schwarzen Hornissen” dort finden, weil es eine Meldung hierfür gab. Mittels Telemetrie sollte das Nest geortet werden, um es danach zu vernichten. Aber das ist eine andere Gesichichte.
Der Anlass war gegeben und ich ließ mich auf ein kleines Abenteuer ein. Es war ein sehr schöner und sonniger Herbstsommertag. Anreise mit der Straba, Ticket zuvor online gebucht, am Eingang 3G vorgezeigt und schon ging es los. Sobald ich am ersten Prachtbeet stand, holte mich die Vergangenheit ein. 1982 bis 1984, während der Zeit meiner Baumschulgärtnerlehre, hatte ich Jahreskarten für den Stadtgarten. Die nutzte ich nach dem Berufsschulunterricht, um in den großzügigen Anlagen dort meine dendrologischen Kenntnisse zu vertiefen. Der Schulunterricht war am Mittag zu Ende und im Anschluss schlenderte ich ins städtische Grün.
Beim Lustwandeln durch die großzügigen Anlagen ist mir so manches Gedicht in den Sinn gekommen.
Die Allee – Christian Morgenstern
Ich liebe die graden Alleen
mit ihrer stolzen Flucht.
Ich meine sie münden zu sehen
in blauer Himmelsbucht.
Ich bin sie im Flug zu Ende
und land’ in der Ewigkeit.
Wie eine leise Legende
verklingt in mir die Zeit.
Mein Flügel atmet Weiten,
die Menschenkraft nicht kennt:
Groß aus Unendlichkeiten
flammt furchtbar das Firmament.
Natürlich gehen die Menschen in den Zoo, um Tiere zu sehen. Exotische Tiere. Das kann man natürlich, muss man aber nicht. Schon als Kind ist mir aufgefallen, dass es nicht gut sein kann, wenn man Löwen und Tiger in vergitterten und verglasten Betonkäfigen zur Schau stellt. Gewiss, heute hat sich einiges geändert und der Artenschutz ist auch in den Zoo gekommen. Es gibt Programme, um vom Aussterben bedrohte Arten im Zoo zu erhalten, zu züchten und irgendwann wieder auszuwildern. Eigentlich paradox. Oder?
Blätter – Rainer Maria Rilke
Die Blätter fallen,
fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.
Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.
Wasser spielt eine große Rolle im Stadtgarten. Das Wasserspiel am Rande des Gartens ist zeitlos. Es ist so antiquirt, dass es schon wieder cool ist. Die altbackenen steinernen Wassersäulen betonen das Sprudeln und Fließen des Wassers. Der Lebensquell, der scheinbar immerzu fließt, symbolisiert das Werden und Vergehen. Über fünf Säulen sprudelt das Wasser aus der dunklen Tiefe empor und ergießt sich über Kaskaden in zwei Bassin. Wenige Momente genügen, um sich von dieser Situation fesseln zu lassen. Die Musik des herab stürzenden Wassers beruhigt die angespannte Seele. Das fließende Wasser setzt plötzlich neue Gedanken frei. Durch diese gewonnene Unbefangenheit entdecke ich das bunte Laub im Bassin, welches durch die stete Unterströmung gefangen bleibt. Die vielen Tropfen auf den schwimmenden Blättern sind die Tränen des Sommers, der uns allmählich verlässt. Auch die Tage der Blätter sind gezählt. Bald werden die Stadtgärtner kommen, um die Bassins zu säubern. Dann lebt diese Illusion nur noch in meiner Phantasie.
Je weiter ich wandere, umso mehr freut sich mein Gärtner Herz. Ich gelange durch unterschiedliche Kompartimente, die bunt oder nüchtern sind. Jedes hat seine eigene Ausstrahlung. Die Blütenfülle der Herbstanemonen sucht Ihresgelichen! Ein Traum in Weiß! Im Wechselspiel des frühen Lichts werden einzelne Blütenköpfe besonders bestrahlt. So als wollten sie sagen “hierher, schaut mich als erstes an!” Die Morgensonne bringt die altehrwürdige Platanenallee zum Leuchten.
An die Natur
von Friedrich Leopold zu Stolber-Stolberg 1750-1819
Süße, heilige Natur,
Laß mich geh’n auf deiner Spur,
Leite mich an deiner Hand
Wie ein Kind am Gängelband!
Wenn ich dann ermüdet bin,
Sink’ ich dir am Busen hin,
Atme süße Himmelslust
Hangend an der Mutterbrust.
Ach! wie wohl ist mir bei dir!
Will dich lieben für und für;
Laß mich geh’n auf deiner Spur,
Süße, heilige Natur!
Der Garten bietet für jede Stimmung einen eigenen Raum. Eben noch überschäumende Blütenfülle, jetzt ein grünes Ruhezimmer. Zu bestimmten Zeiten scheint just auf “meine Bank” die Sonne und lädt ein zum Verweilen. Langweiliges Grün? Lebendiges Grün hat unendlich viele Nuancen. Und jede einzelne davon trifft auf den entsprechenden Nerv. Das spricht mich an. Vorne die streng in Form gepressten Hainbuchen, dahinter die frei wachsenden Platanen in ihrer wilden Schönheit. Eine solche Widersprüchlichkeit gestalterisch für uns Menschen darzustellen, das ist die hohe Gartenkunst. Auch ohne Worte geht jeder Mensch, der ein bißchen Herz hat beruhigt weiter, nach solch einem Anblick.
Offenbarung
von Hermann Rollet 1819 -1914
Natur spricht laut in Wort und Schrift
Du mußt nur Windeswehen
Und Duft und Klang und Wald und Trift
Und Fels und Meer verstehen!
Ein jeder Baum, der braust in Wettern,
Und jede Blume auf der Flur,
Und jeder Zweig ist voll von Blättern
Der Offenbarung der Natur.
Auf jedem Blatt steht licht und offen:
“O glaub’ an helle Frühlingsluft!”
Auf jedem Blatt steht grünes Hoffen,
Still flüsternd um die Blumenbrust.
Auf jedem Blatt steht groß geschrieben:
“Der Geist der Lieb’ durchweht die Flur!”
Auf jedem Blatt steht: “Lieben! lieben!”
Als Offenbarung der Natur.
(1819 – 1904)
Wer stets mit der Natur gelebt
von Alois Wohlmut 1880-1919
Wer stets mit der Natur gelebt,
Von ihr beglückt, mit ihr verwebt,
Das erste Grünen, erste Sprossen
Als tiefersehntes Glück genossen;
Am ersten Glöckchen sich entzückte,
Das grüßend aus der Erde blickte,
Dann an den Veilchen, wilden Rosen,
Bis zu den letzten Herbstzeitlosen: –
Ist, wenn er Achtzig hat vollbracht,
Zum Leben achtzig Mal erwacht.
Die Herbst Krokusse findet man auf einer Wiese am Ufer des Stadtgartensees, die nur von den Vögeln und den Stadtgärtnern betreten werden darf. Heimische Natur darf sich mittlerweile auch im Stadtgrün ausbreiten, bzw. wird gezielt gefördert.
Der Stadtgartensee teilt den Garten. Vom Bahnhof kommend befindet sich der Zoo rechter Hand, links erstreckt sich der Stadtgarten. Die Übergänge verlaufen jedoch auch fließend. Tiere und Pflanzen gibt es hüben wie drüben. Fließend sind auch die Wasserspiele. Sie folgen dem Klang der Musik.
Die Tiere im Zoo und Stadtgarten. Wir sehen eingesperrte und frei lebende. Hinzugezogene sozusagen. Die Eingesperrten kenne ich. Mein Interesse liegt an den Tieren, die ohne Käfig ihr Leben führen dürfen. Auch wenn sich die Philosophie der Tierhaltung in Zoos in den vergangenen Jahren verändert hat, so sehe ich dies kritisch. Aktuell (Oktober 2021) haben die Luchse ihr neues Gehege bezogen, welches 10 Mal größer ist, als das alte. Von 110 Quadratmetern auf 1.100 ist schon eine Verbesserung. Die Biologie und das Wesen der Luchse erfordern jedoch noch viel größere Flächen. Auch das Zusammenhalten der beiden Jungtiere mit den Erwachsenen ist nicht richtig, weil es einfach nicht artgerecht ist. Luchse sind Einzelgänger und treffen nur in der Paarungszeit aufeinander. Jungtiere verlassen nach der Jugendzeit ihr Geburtsrevier, bzw. werden vertrieben. Ein Auswilderungsprojekt ist löblich, dann sollte es auch richtig vonstatten gehen. Alles andere ist nicht gerecht, nicht artgerecht.
Tiere im Zoo können auch frei leben.
Die Bremer Stadtgarten Musikanten. Dieses Quartett ist einigermaßen versteckt am Pfeiler einer Brücke angebracht. Hat es das verdient? Immerhin hat der Künstler durch seine Arbeit diesen Tieren ein bißchen zu Unsterblichkeit verholfen. Was er sich bei diesem Mosaik wohl gedacht hat? In vielen Stunden ist es entstanden. Wie groß war wohl seine, bzw. ihre Vorfreude auf die Fertigstellung?
Die “Schwarzen Hornissen” habe ich übrigends nicht gefunden. Natur hat eben ihren eigenen Lauf.
Ralf Schreck – Stadtgarten Freund