Öffentliches Grün und Insektenschutz
Wer kennt die Wildbienen Kolonie in der Pflanzfläche bei der Unterführung Nordring und Leopoldstraße? Es ist eine unscheinbare Rasenfläche mit Ahornbäumen, die wir eigentlich bewusst gar nicht wahrnehmen. Elf Monate im Jahr wohnen dort im sandigen Untergrund die solitär lebenden Frühlingsseidenbienen, Colletes cunicularius. Im März, bei den ersten wärmeren Temperaturen erscheinen die Bienen Männer und schwärmen in diesem Bereich knapp über der Bodenoberfläche. Das sieht dann aus wie ein großer Bienenschwarm. Sie warten auf die Weibchen, die dann einige Tage später erscheinen. Nach der Paarung werden die Drohnen überflüssig und die Weibchen beginnen mit dem Brutgeschäft. Es werden selbst gegrabene Liniennester angelegt, auch die alten Röhren werden wiederhergerichtet. Die Nestwände werden von verschiedenen Sekreten gebildet, die zu einer Cellophan artigen/seidigen Schicht aushärten. Jede Biene erledigt das alleine, deshalb nennt man das solitäre Lebensweise. Blütenstaub und Nektar werden eingetragen. Sobald eine Zelle bevorratet ist, wird ein Ei gelegt, die Zelle verschlossen und eine weitere angelegt, bis die sandige Röhre belegt ist. Aus dem Ei schlüpft die Larve, die sich vom Pollenvorrat ernährt. Es folgt die Verpuppung, aus der die fertige Biene entsteht, die dann zehn Monate im Boden ruht und im nächsten März ausfliegt. Eine unscheinbare Wiese im öffentlichen Grün entpuppt sich als wertvoller Lebensraum für eine bedrohte Wildbienenart. Einen solchen Standort sollten wir beachten. Schützen können wir diese Bienen, wenn wir diese Fläche nach der Schwärmzeit mähen und dafür sorgen, dass Futterpflanzen der Frühlingsseidenbienen nicht verschwinden. Das sind heimische Weidenarten, die es in der Umgebung noch gibt. Insektenschutz im öffentlichen Grün, wenn wir diese Standorte mit den Augen der Bienen betrachten. Eigentlich ist das ein vorbildlicher Lebensraum im öffentlichen Grün und macht Natur für uns erlebbar. Könnte man nachahmen, denn diese Bienen besiedeln auch unsere Gärten, wenn wir das zulassen.
Ralf Schreck für die Agenda Gruppe Umwelt
Colletes cunicularius ist eine der wenigen Wildbienenarten, die wir im Freiland zuverlässig bestimmen können. Sie ist relativ groß und eine der ersten Wildbienen, die im Frühling erscheinen. Damit Wildbienen existieren können bedarf es ein Umfeld, in welchem sie siedeln und in dem sie in ausreichender Entfernung auch ihre Nahrungsquellen finden. Unsere Frühlingsseidenbienen benötigen zum Nisten sandigen Untergrund. Zur Nahrungsgewinnung werden sechs Pflanzenfamilien beflogen, mit einer Bevorzugung von Weiden. Nistplatz und Nahrungsraum, wie Weichholzauen, Weidengebüsche, Ahornalleen und Obstwiesen, können räumlich weit auseinander liegen. All dies gibt es bei uns. Denken wir an die Streuobstbäume am Hammenweg und das dahinter gelegene Weidengebüsch. Fördern können wir diese unter besonderem Schutz stehende Wildbienenart, indem wir deren Nistplätze achten und unseren Streuobstbäumen wenigstens eine Minimalpflege gönnen. Die Unterführung wurde 1974 gebaut zur sicheren Unterquerung der Landstraße. Das Foto stammt von Karl Ueberle. Beiläufig entstand ein Siedlungsraum für die Wildbienen, den wir schätzen sollten.