Im Wörth 2

Im Wörth 2

Meine Touren an den Wochenenden sind auch geprägt von Gegensätzen. Es ist nicht nur das Erleben und Entdecken der Natur, es ist auch das Entdecken des Lebens mit all seinen Facetten.

Da stehe ich sprachlos am alten Obstbaum, der in der Nacht zuvor die Hälfte seiner Krone verloren hat. Das Geäst ist wie ein Flussdelta, wie ein Adernnetz, welches bald versiegen wird. Darunter sehe ich aus wie ein kleines Würstchen. Selbst der sterbende Baum fasziniert, weil er eine gewisse Würde ausstrahlt.

Hundert Meter weiter bleibe ich erneut stehen, als ich die Container Anlage „Im Wörth 2“ erreiche. Auch hier spüre ich eine Ausstrahlung, die mich einige Zeit verweilen lässt.

Ja, unsere Gemeinde kümmert sich. Kümmert sich, damit niemand obdachlos sein muss.

Auf der Homepage unserer Gemeinde ist folgendes zu lesen: „Obdachlos gewordene Personen haben das Recht sich bei der Gemeinde obdachlos zu melden und eine Unterbringung zu beantragen. Nicht immer steht der Gemeinde sofort geeigneter Wohnraum zur Verfügung, der auf Dauer überlassen werden kann. So kann es notwendig werden obdachlos gewordene Personen in eine Obdachlosenunterkunft einzuweisen.

Bei der Obdachlosenunterbringung handelt es sich um eine zeitlich begrenzte Notunterbringung. In diesem Zeitraum hat die obdachlos gewordene Person die Verpflichtung sich eine neue Wohnung zu suchen.

Da es sich bei der Obdachlosenunterbringung nicht um eine Wohnraumüberlassung im eigentlichen Sinne handelt, also kein Mietvertrag zustande kommt, tritt kein Mietrecht ein. Die Kosten der Unterbringung werden von der untergebrachten Person als Nutzungsentschädigung erhoben.“

Nein, dort ist es nicht wie Camping.

Ja, dort wird gewohnt. Ja, dort gibt es auch Spielsachen.

Dort unten im Wörth herrscht eine eigenartige Ordnung. Die Wohncontainer stehen akkurat nebeneinander, genauso wie die landwirtschaftlichen Anhänger, die Altglasbehälter oder die Touristenbusse. Die Bewohner müssen ihre eigene Ordnung finden, damit ihr Aufenthalt dort unten ein temporärer ist. In der Ferne fällt der Blick auf die Hochhäuser der Mannheimer Straße. Dort oben, wie hier unten leben Menschen. Menschen mit persönlichen Schicksalen. Mit unterschiedlichen Schicksalen. Und doch gehören alle zu uns.

Ja, die Gemeinde kümmert sich. Eine von zahlreichen Aufgaben, der sich unsere Gemeinde widmet. Wichtige Aufgaben, deren Erfüllung unseren Respekt verdienen.

Ralf Schreck – der auch in einer Unordnung eine Ordnung sieht

 

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