Für Wilfried
Der Alte Hafen in Leopoldshafen könnte ein Teil des Paradieses sein, in einer Landschaft umgeben von sattem Grün, von Buschwerk, hohen alten Bäumen, herrlich überhängenden Trauerweiden. Unter den Letzteren am Uferrand schlafen derzeit noch eine Menge Boote und Kähne.
Und vor uns die große alte ehrwürdige Motorfähre, bereits besetzt vom Kapitän und seinen Mannen, von Gästen und natürlich von den Kindern. Und Angst vor Piraten müssen die Kinder nicht haben. Denn diese Seeräuber haben beschlossen keine Kinder zu rauben und bleiben heute brav in ihren Uferhöhlen. Sie sagten: Diesen Kindern darf nichts geschehen, nicht ein Gramm Freude werden wir ihnen stehlen. Und auch ihr Boss Klaus Störtebeker, tat es ihnen nicht befehlen, ja auch er stellte heute nicht den Wecker! Der Hut mit dem Totenkopf blieb heute außen vor vom Leopoldshafener “Alten Hafen bis weit hinters Schröcker Tor”!
Und das Wasser im Alten Hafen blieb sauber gefahrlos und ruhig. Und die Sonne lachte heute in diese Idylle hinein. Drei Schwäne als weiße Farbtupfer gründeln in der Nähe des gegenüberliegenden Ufers. Ein Graureiher segelt dort entlang, ein Kormoran hält auf dem höchsten Ast eines abgestorbenen hohen Baumes wohl Ausschau auf Nahrung. Oder er äugt nichts Gutes erwartend zu uns herüber. Seine Art ist bei den Anglern nicht gut angeschrieben, denn er tut wie sie die zarten Fischlein lieben. Linksoben ist in einer größeren Entfernung ein kleines Inselche zu erkennen, mit Grün bewachsen ist es. Gleichfalls eine farbenfrohe Abwechslung im grünfarbenen Wasser.
Ein paar Boote bringen leichten Wellengang. Darunter ein erster Angler mit bereits ausgeworfener Rute. Libellen schwirren hin und her. Einige landen wie Hubschrauber kurz auf der Fähre, schwirren aber wohl Gefahr drohend sofort wieder ab. So viel Umtrieb macht sie heute scheu. Noch herrscht Ruhe um diese Mittagsstunde. Ein Schmetterling fliegt neugierig vorbei. Wohl erstattet er seinen Kumpeln am Ufer Bericht.
Die Kinder, bestückt mit ihren kleinen selbst gebastelten Fähren haben diese bereits zu Wasser gelassen und schubsen sie, über die Reeling gebeugt, hin und her. Dann wird diese Ruhe unterbrochen als der Kapitän den Motor seiner großen Fähre anwirft. Da brummt es ganz ordentlich laut. Die Fähre setzt sich gemächlich in Bewegung ins freie Wasser hinaus. Nach erreichter Geschwindigkeit “von knapp einem Knoten” schaltet er den Motor wieder ab. Dafür aber werden die Kinder nun laut, da sich die Leinen ihrer Fahrzeuge straffen und auch langsam auch Fahrt aufnehmen. Der Ferienspaß hat nun endlich begonnen!
In Vorbereitung mußten die kleinen Fähren von den Kindern selbst gebastelt werden. Und das geschah natürlich voller Arbeitswut. Ralf hatte dazu im Hardtwald die aus Lindenholz bestehenden Rundhölzer geschnitten, in gleich lange Teile zerlegt und diese mit entsprechend großen Löchern versehen. Eine diffizile Arbeit sei es gewesen, meinte er, für die Kinder aber hätte er sie gerne gemacht. Unter Anleitung wurden die Einzelteile von den Kindern zusammengebunden und schließlich ein Segel befestigt. Fleißige Frauenhände hatten diese in Feinarbeit geschnitten. Auf den Segeln segelten die Möven. Und wer genau hinhörte konnte sogar in Leopoldshafen ihre typischen Schreie vernehmen!
Und der Kinder Übermut passte störungsfrei so genau in diese paradiesische Landschaft. …”Lasset die Kleinen zu mir kommen…, wehret ihnen nicht!” Außerdem sollte es ja ein extra Kinder-Ferien-Spaßtag sein voller Lust und Übermut. Und er war tatsächlich auch des schönen Wetters wegen gelungen. Und das passte doch so richtig auch in die beschriebene paradiesische Landschaft, in der die große Fähre gemächlich hindümpelte, gefolgt von der Kleinen Geschwader. Dann aber übertönte ein lauter Hilfeschrei plötzlich das Rumoren tatsächlich noch! Was war geschehen? Mann über Bord!? – Nein! Von einer der kleinen Fähren hatte sich die Leine gelöst und diese drohte abzudriften. Da schaltete der Kapitän sofort indem er das Beiboot ins Wasser setzte und einen weiteren Matrosen dazu, für alle Fälle. Und gekonnt holten sie den Ausbrecher ein und brachten ihn seinem Kleinmatrosen zurück. Beifall rauschte auf ob dieser gekonnten Rettungsaktion. Das Beiboot machte wieder fest und das Spiel konnte mit seinen Manövern weitergehen. Auch das Wasser beruhigte sich wieder. So verging für die Kinder diese glückliche Stunde. Und alle Matrosen gingen von Bord, nachdem die große Fähre auch wieder angelegt hatte.
Und kurz nach dem Ufergang gaukelte ein Schmetterling an mir vorbei. Er hat mich angelacht. “Na Alter fragte er, hat es auch dir Spaß gemacht?” “Danke”, sagte ich, ich fühle sogar glücklich mich. Ja, ich war mal wieder sorgenfrei. Und Kinder waren die Sorgenbrecher, meine, und all die anderen auch. Und die Natur im weiten Rund!
Und dann verließen wir insgesamt den anderen den “Alten Hafen” und ließen die Fähre zurück zum späteren Weiterschlafen. Ich vernahm im Nachhinein noch ihre Sehnsucht einmal noch auf den Rhein auszulaufen bis Worms zum Beispiel. Um dort als Plattform zu dienen bei der Bergung des Nibelungenschatzes der, oder auch nur Teile davon, einst von Siegfrieds Kämpen versenkt worden sein soll. Und die altehrwürdige Fähre hatte auch von den vielen Beratungen gehört und über die Versuche der Bergung einer vor über einhundert Jahren im Rhein versunkenen Dampflokomotive. Und wie und wann man sie bei einem weiteren Bergungsversuch einsetzen könne. Auch über einen solchen Einsatz freue sie sich heute schon. Für solche Einsätze fühle sie sich nicht zu alt. Aber auch eine schöne Abwechslung für sie sei schon wieder einmal eine Fahrt über den Rhein an das andere Ufer hin, denn das Flussübersetzen sei ja stets ihre frühere Tätigkeit gewesen.
Und den Ruf von damals “Fährmann hol über” habe sie heute noch im Ohr … Ja, diese Fähre ist ein echtes Schmuckstück für unsere Doppelgemeinde und in Verbindung mit den beiden Museen ein echtes Kulturgut.
Das sind die Worte meines Vaters Philipp, so hat er diesen Tag erlebt. Und ich habe das genauso empfunden. Nachdem er mir diese Aufzeichnung gab, konnte ich sie mit meinen Bildern des Tages ergänzen.
Diesen Beitrag widme ich Wilfried. Sein Engagement für Heimat, Fähre und Ortsgeschichte sucht seinesgleichen. Es sind Menschen wie er, die unserer Dorfgemeinschaft das gewisse “Etwas” verleihen. Das Lebens- und Liebenswürdige. Eben das, was Heimat ausmacht. Und er ist weiterhin fleißig. Hat er doch in der Zwischenzeit einen Film zur Geschichte des Hafens gedreht und auch das Buch zum Film, als weitere Vertiefung zum Thema.
Ralf Schreck – für die AG Umwelt und AG Ortsgeschichte