Jagd und Biodiversität – geht das?
Der Schütze zur Linken legte an, als das Reh aus der Dickung trat. Meine Kamera war ebenfalls einsatzbereit. Dann, ja dann zog das Reh weiter. Später fragte ich Manfred nach seiner Motivation und er sagte in einer Selbstverständlichkeit, dass es ein ungünstiger Blickwinkel war, bei dem kein sicherer, also schneller Tod möglich sei.
Es war die letzte Drückjagd in diesem Jahr, im bejagten Revier gab es für ein paar Stunden für das Wild einige Unruhe. Die Treiberketten zogen mit Stöcken klappernd und rufend durch die festgelegten Waldstücke und brachten so das Wild in Bewegung. Die Schützen waren erfolgreich, das bewies nicht nur die ausgelegte Strecke am Abend. Die Schüsse trafen ihre Ziele, es gab keine angeschossenen Tiere, eine Nachsuche war nicht erforderlich.
Auffallend war, dass der gesamte Ablauf der Jagd sehr unaufgeregt war. Wie jedes Jahr war alles bestens organisiert. Und dennoch lässt man der Routine nicht ihren Lauf. Jede Jagd ist anders. Jede Jagd birgt Risiken, denn es wird scharf geschossen. Sicherheit für alle Beteiligten ist oberstes Gebot. Deshalb gibt es zu Beginn eine ausgiebige Einweisung. Die Verletzten gab es unter den Hunden, die sich Dornen eingefangen hatten oder beim Stellen der Nutria angegangen wurden. Wundversorgung gab es durch die anwesende Tierärztin. Die Befürchtung, dass die Jagd durch eine radikale Tierschutzgruppe gestört wird, war unbegründet.
Der Jagd anwesend waren zwei Gemeinderätinnen, die als Treiberinnen das gesamte Geschehen unmittelbar erlebten. Diese Offenheit seitens der Jägerschaft ist ein wichtiger Beitrag für ein transparentes und funktionierendes Dorfleben. Jagd als Auftrag durch das Fehlen natürlicher Prädatoren die Wilddichte auf ein vertretbares Maß zu regulieren. Zur Wildschadensbegrenzung im Forst und in der Landwirtschaft, sowie zum Schutz von Niederwild, wie Fasan, Rebhuhn und Co.
Auch einige Aktive der Agenda Gruppe Umwelt waren wieder dabei. Besonders gefallen hat mir die Anwesenheit von Manfred. Er ist Wissenschaftler beim Naturkundemuseum Karlsruhe und hat nun das Gelände aus Sicht der Jäger erlebt. Derzeit sind wir involviert im Wettbewerb „Baden-Württemberg blüht“ und kennen einen Teilbereich dieses Jagdreviers als wertvollen und schützenswerten Orchideenstandort. Schutzmaßnahmen haben schon begonnen, das konnte man an großzügig freigeschnitten Schneisen erkennen. Den dort sieben vorkommenden Orchideenarten drohte durch Verbuschung das Aussterben. In Zusammenarbeit mit Gemeinde, Forst und der Jägerschaft wurde nach Empfehlung unseres Orchideenexperten Holger die Arbeiten ausgeführt. Einerseits haben die Jäger jetzt bessere Sichtfenster, andererseits ist dieser Orchideenstandort gesichert. Neudeutsch nennt man das eine „Win-win-Situation“.
Jagd und Biodiversität – geht das?
Na klar!
Jagd ist auch Leidenschaft und ein verantwortungsvolles Handwerk. Abenteuer in der Natur, das Draußen sein genießen, das kann ich nachvollziehen. Für mich persönlich kommt Jagd nicht infrage, aber ich genieße ein wertvolles, regionales, unbelastetes und klimaneutrales Lebensmittel.
Es war eine Revier übergreifende Jagd. Übergreifend ist das Stichwort. Übergreifend ist auch unser Umwelttag, den wir am 21. März 2020 in unserer Gemeinde mit interessierten Gruppen ausrichten möchten. Ein kleines übergreifendes Projekt hatten wir bereits mit dem Bau der Kräuterspirale. Edwin hat uns dabei unterstützt. Danke dafür und herzlichen Glückwunsch zum 70.!
Ralf Schreck – 1. Vorsitzender der BUND Ortsgruppe Hardt