Als die Straßenbahn nach Leopoldshafen kam

Tillmann, sein Bruder, Papa und ich

Der 13. Dezember 1986 war ein denkwürdiger Tag. Es war ein Samstag, ein kalter Tag. Es war der Tag, als die Straßenbahn nach Leopoldshafen kam. Endlich bekamen wir Anschluss an den Rest der Welt. Viele Menschen säumten die Haltestelle Leopoldstraße.

Als erstes füllen sich die Plätze am Fenster in Fahrtrichtung. Danach die gegenüberliegenden nicht am Fenster und nicht in Fahrtrichtung liegenden. Das ändert sich jedoch von Haltestelle zu Haltestelle. Irgendwann sind dann alle Sitze besetzt. Man möchte für sich sein. Man blickt sich nicht an. Viele sind noch verschlafen und übermüdet (bis auf einen!), die meisten mümmeln still vor sich hin, viele holen ihre Kopfhörer heraus, deren Kabel zunächst entwurstelt und dann in die Audiobuchse gesteckt werden. Viele hören Musik und oder tüpfeln mit ihren Freunden im world wide Web und tauschen mehr oder wenig wichtige News aus. Ganz wenige telefonieren richtig. Spannend wird es, wenn in Hörstärke gesprochen wird, dann kommt etwas Leben in die Bahn. Wir sind im Januar 2018.

Die erste Bahn 1986 hatte ein schönes Blumengebinde am Bug. Feierlich wurde sie begrüßt. Es gab ein kleines Zelt, in welchem es Getränke gab. Vermutlich Glühwein, denn es war kalt. Es war wie auf einem Volksfest.

Ich sitze in Fahrtrichtung am Fenster. Eine junge Schülerin kommt und setzt sich mir schräg gegenüber entgegen der Fahrtrichtung. Nach einer Weile kramt sie aus ihrem Rucksack ihre Vesperbox hervor. Beim Öffnen sehe ich, dass das „Hauptvesper“ nicht ganz verdrückt wurde. Ich denke, dass ist mir auch schon passiert. Da war ein Geburtstag im Büro mit viel Kuchen. Der hatte dann eben die höhere Priorität. Sie holte einen verpackten Minikeks heraus, entfernte das Papier, hielt den Keks mit ihren beiden kleinen Händen mir entgegen und fragte mich, ob ich die eine Hälfte haben wollte, weil ich sie so angeschaut habe. Da war ich beeindruckt sprachlos und stammelte, dass ich kurz vor dem Abendessen nicht mehr naschen dürfe. Aber sie solle ihn ruhig essen, denn es ist ja nur ein kleiner Keks.

Auf den Fotos von Karl Ueberle spiegelt sich die Volksfest Atmosphäre wider. Ein großes Vorhaben nahm einen weiteren Schritt. Noch endete die Bahn in Schröck. Die Linkenheimer mussten noch einige Zeit auf den Anschluss warten.

Der alte Herr ist bereits vor mir da. Würdevoll bescheiden sitzt er auf der kalten Bank und wartet auf die Bahn. Ab dem zweiten Tag begrüße ich ihn und er grüßt zurück. Er ist einer der wenigen, den ich gelegentlich auf dem Rückweg abends in der Bahn sehe.

Ein Geschwisterpärchen setzt sich mir gegenüber. Beide löffeln genüsslich ein Eis, welches sie aus einer amerikanischen fast Food Kette in der Nähe der Bahn gekauft haben. Die kleine Schwester meinte, Mensch ist das lecker mit dem Schokoüberzug. Sie war schneller fertig als ihre große Schwester und wollte aufstehen, um den Becher im Bahn Abfallbehälter zu entsorgen. Doch die große meinte, sie solle noch warten, bis ihr Becher ebenfalls leer ist, dann könnte sie den auch gleich mitnehmen. Gesagt getan. Als sie wieder am Platz war kramte sie in ihrem Rucksack, bis die große fragte, was suchst du eigentlich? Meine Handschuhe! Sie fror. Man zieht doch drinnen keine Handschuhe an, die sind für draußen! Es gab auch keine Handschuhe im Rucksack. So nahm sie fröstelnd wieder Platz. Ich sah sie an und sagte sie hätte doch ein heißes Eis kaufen können. Da lachte die große Schwester und meinte, es gab auch warme Apfeltaschen. Beim Klinikum meinte die kleine, ob sie nicht aussteigen und die Oma besuchen sollen. Die große meinte, wir fragen Mama wann es gut sei Oma zu besuchen, denn wir kennen die Krankenstation nicht.

Ich schaue aus dem Fenster und betrachte die vorbeiziehende Landschaft. Die Scheibe ist zerkratzt. Wer macht denn so etwas? Was ist das für eine Wertschätzung? Die Gegenbahn nähert sich. Die Fahrer grüßen sich. Mit Handzeichen oder dem Blinker. Das gefällt mir. Die Fahrer nimmt man gar nicht wahr, lediglich bei der Einfahrt zur Haltestelle sind sie sichtbar. Dabei sind sie doch die wichtigsten Hauptdarsteller. Abgeschottet in ihren Kabinchen sorgen sie für gute Fahrt tagein, tagaus.

Ab Haus Betlehem kommt Leben in die Bahn. Tillmann, sein Bruder und Papa steigen ein. Nicht immer ab fast täglich. Tillmann ist der lebendigste aller Fahrgäste. Er ist in dem Alter, in dem man gerade den ersten Zahnwechsel durchmacht. Seine hohe und feine Stimme erfüllt die Bahn mit seinen Geschichten bis in den hintersten Winkel. Herrenstraße, da dürfen nur Herren einsteigen. Alle hören das aber niemand ermahnt ihn. Er wird beobachtet, manche schmunzeln, obwohl er die Etikette in der Bahn verletzt. Seine Spontanität ist faszinierend und ich frage mich, weshalb diese Eigenschaft bei vielen Menschen irgendwann aufhört. Papa begleitet seine Söhne zur Schule. Er nimmt es gelassen, auch wenn es wie Flöhe hüten aussieht.

Die ältere Dame mit Rollator bereitet sich bereits eine Haltestelle vor ihrer Endstation aufs Aussteigen vor. Sie weiß, dass sie langsam ist und ihren Ausstieg nicht verpassen möchte. Ich habe die Situation erkannt und möchte ihr helfen. Da kommt mir das junge Mädchen, das ihr gegenüber sitzt zuvor und bietet ihre Hilfe an. Es folgen schöne Gesten der Hilfsbereitschaft und die junge Dame geleitet die ältere sicher nach draußen. An einem anderen Tag beobachte ich, wie ein junger Mann einem älteren seinen Platz anbietet. Dann kommen beide ins Gespräch und die gegenseitige Wertschätzung flutet das Abteil.

Wer täglich zur selben Zeit fährt lernt die Stammgäste kennen und man kann anhand der einsteigenden Passagiere die erreichte Haltestelle erkennen. Am Spöcker Weg ist es der, den ich vom Sehen kenne, am Bahnhof Eggenstein sind es die Studenten, die in der City aussteigen, einen Kaffee trinken und später zum KIT weiterfahren. In Eggenstein Süd ist es die Frau, die jeden Morgen verschlafen ist. Beim Adolf Ehrmann Bad in Neureut ist es das Bad Girl. Das steht auf ihrer Mütze drauf. Sie schaut aber auch immer sehr cool aus und macht der Mütze alle Ehre. Nach 14 Tagen hatte sie eine neue. Mit Herzchen drauf. Da war ich kurz irritiert. Es gibt auch einen Fläzer, der sichtlich unzufrieden mit der Bahn fährt. Er kommt jeden Morgen zu spät, springt in die Bahn und fläzt sich auf zwei Sitze, sodass niemand mehr neben ihm sitzen kann. Es ist eine interessante Welt in der Straßenbahn. Kurzweilige Erlebnisse aber ich bin täglich zwei Stunden unterwegs. Bahn fahren ist eine Alternative, wenn auch eine Zeit aufwändige. Zwei Tage, nachdem meine Monatskarte beendet war stand das neue Auto vor der Türe. Der Weg zur Arbeit war zeitlich wieder kürzer, es blieb mehr Zeit für anderes übrig. Auch fürs Ehrenamt.

Es war eine interessante und erlebnisreiche Zeit und ich habe gar nicht alle Ereignisse erzählt. Doch ich war froh, dass die Straßenbahn seit 1986 Leopoldshafen erreicht.

Fotos der ersten Straßenbahn von Karl Ueberle, Rest von RMS.

Ralf Schreck – der mit der Bahn tanzt

 

 

Denkmale unserer Heimat

Denkmale unserer Heimat

Auf dieser Seite möchte ich einige unserer steinernen Zeitzeugen der Geschichte vorstellen. Grenzsteine, Hochwassermarken, Denkmale, Brunnen, Waschplätze und andere. Mein digitales Archiv gibt es seit 2003 und konnte etliche Beiträge für die Zusammenstellung liefern. Es ist schon erstaunlich was sich in unserer Gemeinde entdecken lässt. Nicht alle Denkmale erklären sich von selbst. Jedes einzelne hat seine Geschichte, die wenigsten davon sind mir bekannt. Dennoch besuche ich diese Kleinode immer wieder bei meinen Rundgängen im Ort und in Wald und Flur. Es gibt bestimmt noch mehr, die irgendwo versteckt an unseren Gemarkungsgrenzen im Wald stehen. 2003 hatten wir bei einer Radtour im Rheinwald Leopoldshafen einen Sandstein fotografiert, den ich seitdem nicht mehr gefunden habe. Nachdem ich Friedhelm um Auskunft bat, fand ich diesen Stein im Hardtwald von Linkenheim bei der heutigen Tour wieder. Dennoch gibt es noch versteckte Steine im Wald. Unsere Jäger könnten doch noch einige Tipps geben? Vielleicht hat jemand auch noch alte Fotografien von früheren Standorten?

Ralf Schreck – Heimat Freund

 

Tabak

Tabak

Wir alle wissen, Rauchen ist schädlich. Mein Opa Franz hat Zigarren geraucht. Immer. Und wenn er einmal nicht rauchte, war er krank. Wenn dann meine Oma Otti sagte, er hat sich gerade eine Zigarre angezündet, dann wussten alle, dass er wieder gesund war. So war das. An den Zigarrenduft kann ich mich erinnern. Irgendwie fein und süßlich, gar nicht unangenehm. Franz war auch kein exzessiver Raucher. Seine Pfeife hat er sich selbst gebaut. Er hatte bestimmt mehrere aber die eine ist erhalten geblieben. Auch den Aschenbecher hat er sich selbst geschlossert. Er hat drei Ablagen für die Stumpen und einen Aufnehmer für eine Schachtel Streichhölzer. Erst später habe ich erfahren, dass er den Ascher aus einer leeren Granatenhülse gebaut hat. Franz war Sanitätssoldat im 1. Weltkrieg und kam einigermaßen unbeschadet wieder nach Hause. Es gibt auch noch zwei Blumenvasen mit Verzierungen, die ebenfalls aus Granatenhülsen gebastelt sind. Man nennt das Grabenkunst. Damit haben sich die Soldaten zwischen Leben und Sterben die Zeit vertrieben. In unserem Heimatmuseum kann man solche Exponate auch sehen. Ebenfalls gibt es dort Tabakspfeifen in verschiedenen Ausführungen. Auch schöne aus Porzellan. Im Speicher sind diverse Tabakverarbeitungsgeräte zu sehen.

Tabak war früher eine wichtige landwirtschaftliche Kultur. Früher haben auch alle Männer geraucht. Die Schädlichkeit des Rauchens gehörte damals zum Lebensschicksal und wurde dort schon nicht abgestritten. An die Tabakfelder in der Hardt kann ich mich noch erinnern. Bis in die 70er Jahre gab es noch Tabakanbau in der Umgebung. Wir Buben haben uns allerdings keine Zigaretten gekauft, nein, wir sind in den Rheinwald geradelt und haben uns von den Waldreben zigarettengroße Lianenstücke geschnitten und haben dann diese geraucht. Anschließend war uns schlecht und dann sind wieder nach Hause.

Auch Leopoldshafen hatte Tabakanbau. Auf einem alten Foto blickt man in einen Hof und erkennt, wie der Landwirt gerade dabei ist, einen gebündelten Strang Tabak auf zu hängen. Ein anderes Bild zeigt einen Tabakschuppen, der unterhalb des Friedhofes und gegenüber dem heutigen Feuerwehrgerätehause stand.

Mein Opa Franz blickt stolz in die Kamera meines Vaters. Hat er doch seine beiden Enkel bei sich sitzen. Er hat nie vom Krieg gesprochen. Er hat überhaupt nie viel gesprochen. Aber auf diesem Bild sieht er zufrieden aus. Auf dem Tischchen sieht man die Rauchutensilien meines Vaters. Das kupferne Tablett gibt es noch, die Zigarettenbox, Streichholzhalter und das andere sind verschollen. Das brauchen wir auch nicht mehr. Mein Vater war starker Raucher, bis es ihm schlecht ging und sein Arzt meinte er solle damit aufhören. Dann hat er es von jetzt auf nachher bleiben lassen und das ist schon über 40 Jahre her!

Warum ich das schreibe? Solche Geschichten fallen mir ein, wenn ich eines unserer Museen besuche und dann bei einer Vitrine nachdenklich stehen bleibe. Dinge werden dann plötzlich lebendig, Geschichte wird dann wieder lebendig. Ist es nicht toll, dass wir gleich zwei reichlich ausgestatte Museen haben?

Ralf Schreck – der nie wirklich richtig geraucht hat

Fotos aus drei Generationen

PS = Philipp Schreck – RMS = Ralf Schreck – LRS = Lukas Schreck – GÜ = Gerhard Überle

 

Opa Franz mit Zigarre
War nur eine Eintagsfliege

Volkstrauertag 2017

Volkstrauertag 2017

Es war ein kalter Tag aber kein hoffnungsloser. In der Frühe gab es Regen, doch bald erschien ein leuchtendes Blau am Himmel. Was war das für ein Zeichen?

Links ist Frieden. Rechts ist Krieg. Krieg ist schlecht und Frieden ist gut und schön. Frieden ist gut und schön. Frieden ist das Coolste. Das war nur eines von vielen Bildern, die Schüler der Gemeinschaftsschule Eggenstein zum diesjährigen Thema – Kinder BILDERn Frieden – des Volkstrauertages gestalteten. Es sind interessante und doch auch nachdenkliche Bilder. Unsere Kinder wachsen im Frieden auf, sie erleben die Welt mit ihren Augen und kennen nicht die Notzeiten des Zweiten Weltkrieges. Bald beginnt die Adventszeit der alle Kinder mit großer Vorfreude entgegensehen. Ohne Not und ohne Gewalt. Nicht so in den Erlebnissen eines 13-jährigen Mädchens aus Eggenstein während der Weihnachtszeit 1944, vorgetragen von unserer Gemeindearchivarin. Es herrschte eine beklemmende Stille, als die dramatischen Erlebnisse von damals geschildert wurden. Das können sich viele Menschen überhaupt nicht vorstellen. Vergessen dürfen wir das nicht, wir müssen uns öffentlich daran erinnern und die Lehren daraus ziehen. Wichtig ist, dass wir unsere Kinder mit einbinden. Das ist der Sinn des Volkstrauertages.

Es war eine würdige Veranstaltung, umrahmt mit eindrucksvoll vorgetragenen Musikstücken des Coro Accelerando Eggenstein. Es waren viele Besucher zugegen. Auch unsere Feuerwehr war mit großer Mannschaftsstärke anwesend. Das setzt Zeichen und ist eine wichtige Geste.

Nach der Gedenkfeier wurden die Kränze zum Ehrenmal gebracht und abgelegt. Unsere Bundeswehr Reservisten bildeten wie jedes Jahr ein Spalier und nach dem Trompetensolo war diese Gedenkveranstaltung zu Ende.

Links ist Frieden. Rechts ist Krieg. Krieg ist schlecht und Frieden ist gut und schön. Frieden ist gut und schön. Frieden ist das Coolste. So sehen es unsere Kinder. So einfach kann das sein. Ist das nicht hoffnungsvoll?

Heute gingen viele nachdenklich nach Hause.

Dank gebührt allen Organisatoren der Gemeindeverwaltung, unserem Bürgermeister, Pfarrer Lüttinger, Coro Accelerando, dem Solisten, den Reservisten, den beteiligten Lehrern. Danke an Kristina und Dieter und ganz besonders den kreativen Schülern.

Ralf Schreck

Lebendige Brücken

Abenteuer am Rhein

Der Ausflug begann sobald wir auf der Fähre waren. Dann wussten alle, jetzt geht’s los. Die kurze Fahrt über den Rhein, der Wind, der allen um die Nasen strich, die schöne Aussicht auf den Strom, die Freude auf den Ausflug war einfach perfekt, wenn es mit dem Schiff in die Pfalz ging. Zwischen Leopoldshafen und Leimersheim habe ich einige lebendige Brücken erlebt.

Von 1950 bis 1986 gab es die wohl technisch interessanteste Fähre. Es war eine sogenannte Gierfähre, 20 Meter lang, 6 Meter breit mit einer Tragfähigkeit von 15 Tonnen. Sie konnte 12 Fahrzeuge bzw. 45 Personen befördern. Die Führung erfolgte bis 1956 mit Hilfe eines Längsseiles, danach wurde, um Rücksicht auf den stärker werdenden Schiffsverkehr zu nehmen, ein Grundseil  am Boden des Stromes befestigt. 1970 wurde ein Hilfsmotor installiert. Im alten Hafen von Schröck befindet sich eine solche Gierfähre, unsere Museumsfähre Sophie, die auf Anfrage und bei Museeumsveranstaltungen besichtigt werden kann. Unser ehemaliger Naturhafen ist mit diesem Schmuckstück ein echter Hingucker geworden.

In der Zeit von 1944 bis 1986 gab es eine Gierfähre zwischen Leimersheim und Leopoldshafen mit dem Namen “Loreley” (in Schifahrtskreisen jedoch nur als die “Fähre von Leimersheim” genannt. Diese Fähre hatte allerdings eine Tragfähigkeit von 30 t und durfte 250 Pers. befördern. Von 1945 bis 1950 war sie außer Betrieb, bis 1956 fungierte sie als Längsseil-Gierfähre, dann als Grundseil-Gierfähre, ab 1970 bekam sie einen Hilfsmotor (Schottelnavigator). 1986 wurde die Gierfähre verschrottet. Entnommen aus “Wagenfähren in Deutschland” – Danke an Jürgen für diesen Hinweis.

Abgelöst wurde die Seilfähre 1986 durch die „Liselotte von der Pfalz“. Sie war die erste frei fahrende Fähre und war bis 1997 im Einsatz. Danach wurde sie verschrottet. Natürlich war sie größer als die Vorgängerin.

Die Nachfolgerin, die von 1997 bis 2004 im Einsatz war, wurde nach dem Schutzpatron der Seeleute benannt, nämlich St. Nikolaus. Sie konnte bereits 16 Fahrzeuge oder 200 Personen befördern.

Seit 2004 bis heute fliegt die Peter Pan über den Rhein. Sie fasst 25 Fahrzeuge und ebenfalls 200 Personen.

Dieser Rheinübergang zwischen Leopoldshafen und Leimersheim wurde bereits 1270 urkundlich erwähnt. Damals müssen das noch echte Abenteuer gewesen sein, denn der Strom war ungezähmt, viel breiter als heute und die Überfahrt erfolgte mit frei fahrenden hölzernen Nachen.

Die sonst wenig befahrene Leopoldstrasse in Schröck bekam gelegentlich starken Autoverkehr, wenn es Stau auf den Rheinbrücken Wörth oder Germersheim gab. Bis in die 1980er Jahre gab es unten am Rhein auch eine sogenannte Ersatzübergangsstelle der Nato, die von einer kleinen Pioniereinheit der Bundeswehr unterhalten wurde. Im Verteidigungsfall sollte über diese Pontonbrücke militärisches Material transportiert werden. Wir sind gelegentlich hin geradelt und haben dort das Treiben beobachtet. Den größten Charme hatte jedoch die alte Seilfähre. Das war auch ein kleines aber immer spannendes Abenteuer. Ein solches Abenteuer lässt sich wiederholen, wenn unsere Ortsgeschichtler Jürgen und Wilfried im alten Hafen die Sophie starten und deren Besucher in alte Zeiten entführen.

Solche Geschichten und andere kann erleben, wenn zu den Stammtischen der Agenda Gruppe Ortsgeschichte kommt. Termine gibt es auf der Homepage der Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen.

Ralf Schreck – Fähr Freund

Danke an Karl Überle für die alten Dias, die von der Film AG Egg-Leo digitalisiert wurden. Danke an Jürgen für seinen Beitrag zur “Loreley”.

 

Der letzte Wilderer

Die Schröcker Schließ

Wer kennt die Schröcker Schließ? Ein kleines sandsteinernes Schleusenbauwerk an der Gemarkungsgrenze zwischen Leopoldshafen und Linkenheim. Vom Klärwerk Leo aus geht man den geteerten Weg parallel des Rheinniederungskanals Richtung Linkenheim. Beim Betreten des schmalen Waldstückes erreicht man die Schließ auf der linken Seite. Bei meinen Spaziergängen komme ich oft dort vorbei. Eines Tages traf ich dort auf einem älteren Herrn, der gerade von der Schließ wieder nach oben auf den Weg kletterte. Als sich unsere Blicke trafen sah ich sein schlechtes Gewissen. Behangen mit Kamera, Wanderstiefeln und meinem Schlapphut vermittelte ich wohl ein gewisses amtliches Aussehen und er dachte wohl ich sei der Wildschütz.

Doch wir kamen schnell ins Gespräch und dann erzählte er mir, dass er als Jugendlicher dort oft gewesen sei. Nach dem Krieg fanden er und seine Kumpels dort jede Menge Munition und Handgranaten, die die flüchtenden Soldaten dort entsorgten. In der Nähe gibt es auch noch einen relativ gut erhaltenen Wehrmachtsbunker. Er war Meister im Handgranaten werfen. Die „normalen“ Eierhandgranaten konnte jeder werfen aber die Stabgranaten beherrschte nur er, weil er den Zündmechanismus kannte.

Er hatte auch eine Kleinkaliber Pistole. Mit der versteckte er sich unten in der Schließ und jagte damit Enten. Es gab ja nichts nach dem Krieg, wir hatten Hunger. Auch Stare brachte er nach Hause. Sie taten ihm leid, wie sie so klein in der Pfanne lagen. Aber es gab wenig zu essen und seine Mutter war froh, dass er ab und zu etwas heim brachte. Ja, sagte er, er war hier in der Umgebung der letzte Wilderer. Er war ein Kind der Not. Diese Zeit blieb ihm im Gedächtnis und ich war froh diese Geschichte gehört zu haben, denn meine Kindheit verlief viel friedlicher als seine. Ich bin zwar in Bescheidenheit aufgewachsen aber nie in Not. Das gab mir zu denken.

In der Nähe gibt es auch einen Grenzstein, dem die Vergessenheit droht. Den könnte man doch bergen, herrichten und an exponierter Stelle präsentieren?

Die Schröcker Schließ wurde vom Anglerverein Linkenheim restauriert und über dieses technische Kleinbauwerk gibt es sicher auch zu berichten. Doch die Erzählung des „letzten Wilderes“ war erlebte Geschichte. Wer kennt ähnliche Geschichten aus der Heimat? Wer hat Lust darüber zu berichten? Der regelmäßige Stammtisch der Agenda Gruppe Ortsgeschichte wäre doch ein idealer Ort dafür?

Ralf Schreck – Geschichtsfreund

 

Ortsgeschichte trifft Zeitgeschichte

Neulich beim Absturzbauwerk

Von wegen Fischmörder! Jürgen ist ein guter Beobachter. Ihm entgeht nichts. Er kennt sein Revier, er ist aktiv, er bringt sich ein und bei Bedarf aktiviert er seine Truppe. So gesehen Ende Juli am Absturzbauwerk beim Andi in Leo. Wir erinnern uns: sengende Hitze, Trockenheit über mehrere Tage. Der Wasserstand im Pfinzentlastungskanal ging immer weiter zurück und der Bereich unterhalb des Absturzbauwerkes drohte auszutrocknen, weil es keinen Frischwasserzufluss mehr gab und ein Fischsterben drohte.

Schnell organisierte Jürgen seine Kollegen, mit Genehmigung des Regierungspräsidiums durfte mit Boot und Elektroausrüstung gefischt werden. Mit Reusen wurden die betäubten Fische eingefangen und zunächst in einem großen Transportbehälter gehalten. Später wurden die Fische, unter denen auch der seltene Steinbeißer und einige Aale waren, flussabwärts wieder frei gelassen. Angler als Naturschützer? Es war übrigens nicht die erste Aktion, bei der der Eggensteiner Anglerverein aktiv war. Im Juli 2015 gab es eine ähnliche Fischrettungsaktion, als der Pfinzkanal in Teilbereichen abgelassen werden musste, um am Absturzbauwerk Reparaturen auszuführen. Auch den größten Teil des Unrates und Mülls haben die Angler geborgen. Danke für solche Aktionen.

Jürgen ist auch jedes Jahr beim Waldbegang dabei. Er nimmt seine Aufgabe als Gewässerwart ernst. Er plant einen Begang der vom Anglerverein betreuten Gewässer für alle Betroffenen und Interessierten. Das hört sich spannend an, denn so erfährt man aus erster Hand, was die Angler neben Angeln noch machen.

1970 gab es am Absturzbauwerk noch einen Wehrmachtsbunker, den man dann später entfernte. Heute würde man das nicht mehr machen, sondern würde dort ein Fledermausquartier ausweisen. Damals gab es wohl noch keine Ökopunkte? Zu dieser Zeit konnte ich dort auch eine Wasseramsel beobachten, die ein Nest irgendwo beim Absturzbauwerk hatte.

Der Pfinzentlastungskanal wurde in den 1930er Jahren als Hochwasserschutzmaßnahme im Rahmen der Pfinz-Saalbach Korrektion gebaut. Für die Arbeiten wurden über 3000 Angehörige des Reichsarbeitsdienstes herangezogen. Sie wurden in militärisch organisierten Barackenlagern untergebracht, von denen es in Eggenstein und Leopoldshafen auch welche gab. Der Kanal wurde in Handarbeit erbaut, Maschinen wurden nur in geringem Umfang eingesetzt. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen. 1936 waren die Arbeiten am Kanal abgeschlossen, die braune Zeit jedoch erst am 8. Mai 1945.

Ralf Schreck – Angler Freund

Fotos:

Archiv der Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen

Karl Überle

Ralf Schreck – RMS

Danke an Jürgen für sein stets offenes Ohr und seinen Einsatz für Umwelt und Natur

 

 

 

Heimatmuseum Leopoldshafen

Heimatmuseum Leopoldshafen

Das ehemalige Rathaus in Leopoldshafen wurde am 22.10.1982 der Bevölkerung als Heimatmuseum übergeben und befindet sich in der Leopoldstraße 12. Das zwischen 1720 und 1730 erbaute Museumsgebäude steht unter Denkmalschutz und ist eines von vielen Juwelen unserer Doppelgemeinde Eggenstein-Leopoldshafen.

Im Heimatmuseum Leopoldshafen – bedingt durch den ehemals bedeutenden Hafen – liegt der Fokus auf dem Rhein (Rheinübergänge, Schifffahrt, Handel…) und es werden auch die Vor- und Frühgeschichte mit bedeutenden archäologischen Funden präsentiert. Ergänzt werden die Museumsaktivitäten durch eindrucksvolle Sonderausstellungen. Auch werden zu diesen Schwerpunktthemen Referenten gefunden, die in Vorträgen Geschichte lebendig halten. Auch die Agenda Gruppe Ortsgeschichte bringt sich tatkräftig ein, um weitere Projekte zu organisieren und zu realisieren. Dazu gehören unter anderem die jährlichen PAMINA Veranstaltungen und der Nikolaustag im Dezember.

Wichtigster „Schaffer“ ist jedoch unser ehrenamtlicher Museumsleiter Wolfgang Knobloch. Sein Fachwissen, seine Sammelleidenschaft, seine Umtriebigkeit, seine Verbindungen, sein mit Herzblut getränktes Engagement sind ein großer Glücksfall für alle unserer Bürgerinnen und Bürger. Zurecht wurde er dafür mehrfach ausgezeichnet. Wer mehr wissen möchte besucht die Homepage der Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen. Dort gibt es auch alle Museums relevanten Termine und Tipps zu unseren anderen Sehenswürdigkeiten der Gemeinde.

Das Bild von 1959 hat mein Vater Philipp Schreck gemacht. Im Kinderwagen ist mein Bruder Thomas.

Die Fotos von 1959 – 1982 stammen von Karl Überle, einem aufmerksamen und vorausschauenden Schröcker Bürger. In vielen Jahren hat er das dörfliche Leben in zahllosen Dias dokumentiert, die jetzt von der Film AG digitalisiert und so der Nachwelt erhalten werden.

In mehreren Fotoaktionen haben mein Sohn Lukas und ich die zahlreichen und wertvollen Museumsexponate fotografiert. Auch diese Bilder kommen der Öffentlichkeit zugute. Museum hautnah erleben!

Lust bekommen? Dann kommt doch mal zum Stammtisch der Ortsgeschichtler. Mitmachen kann jeder. Kommt vorbei, lauscht den Geschichten, erfahrt, wie es früher war …

Ralf Schreck – Ortsgeschichte Freund

 

Kleiner Rundgang durch unser Heimathaus

Kleiner Rundgang durch unser Heimathaus in Eggenstein

Das Heimathaus ist das älteste Haus in unserer Gemeinde und umfasst drei Baulichkeiten. Im Fachwerkgebäude gibt es Themen zu Flucht, Vertreibung, Migration, Aus- und Rückwanderung (Amerikasiedler, deutsche Ostsiedlung und ihr Ende), sowie Eggensteiner Ortsgeschichte. Im nicht öffentlichen Spitzgiebel gibt es eine Museeumsbibliothek, die auf Anfrage besichtigt werden kann.

Im Nebengebäude, der ehemaligen Waschküche aus den 1950er Jahren ist eine Notunterkunft eingerichtet, die die beengten Verhältnisse der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs aus ihrer Heimat vertriebenen deutschen Flüchtlinge veranschaulichen.

In der angrenzenden Scheune werden die dörflichen Handwerke und „Dienstleister“ aus vergangenen Jahren präsentiert. Es gibt auch einen kleinen Freibereich, den man von der Scheune aus erreichen kann. Vielleicht entsteht dort draußen eines Tages ein kleiner Kräutergarten? Vielleicht betreut oder gar angelegt in einem Schulprojekt unserer Lindenschule? Eggenstein war Gärtnerdorf, da wäre es doch eine schöne Geste einen kleinen Kräutergarten zu unterhalten?

Das ist jedoch noch nicht alles! Es gibt Museeumsfeste, Schwerpunktthemen mit Sonderausstellungen und Vorträgen, Führungen und vieles mehr. Im nächsten Jahr feiert das Gebäude seinen 400. Geburtstag!

Am besten einfach mal sonntags vorbeikommen (aktuell an jedem Sonntag zwischen 11.00 und 16.00 Uhr, bzw. auf der Homepage der Gemeinde Eggenstein-Leopoldshafen die Öffnungszeiten und Termine des Stammtisches abrufen) und sich selbst über die umfangreichen und äußerst bemerkenswerten Sammlungen zu informieren.

Die Agenda Gruppe Ortsgeschichte trifft sich an jedem 1. Donnerstag des Monats zum Stammtisch in einem unserer beiden Museen. Neugierige und Interessierte eines jeden Alters sind herzlich willkommen zum Gedankenaustausch. Kosten? Ein bis zwei Stunden gemütliches Beisammen sein.

76344 Eggenstein-Leopoldshafen – Ankerberg 8

 

Ralf Schreck – Geschichtsfreund

Unser Dorfbrunnen in Eggenstein

Unser Dorfbrunnen am Ankerberg – Ehrenbürger Dr. Joseph Esser

Wenn man von der Hauptstraße kommend den Ankerberg hinunter spaziert kommt man am Dr. Esser Brunnen vorbei, unserem Dorfbrunnen. Dr. Esser? Wer ist das denn?  Das Rheinländer Ehepaar Esser kam 1897, eigentlich nur vorübergehend, nach Eggenstein, blieb dann aber dauerhaft im Ort. Dr. Esser war ein „Feld-, Wald- und Wiesendoktor“ und erfreute sich großer Beliebtheit in der Bevölkerung. Das Verhältnis beruhte auf Gegenseitigkeit, denn Dr. Esser spendierte der Gemeinde einen aus Betonteilen gefertigten Brunnen, den die Fa. Karl Hötzel während der Leistungsschau vom 25. März bis zum 9. April 1928 in der Festhalle ausstellte.

Dieser Brunnen fand seinen Platz beim Rathaus auf der Hauptstraße. Als am 8. Juli 1928 dieses Schmuckstück geweiht wurde, verlieh man dem „Stifter des Brunnens und als Anerkennung seiner langjährigen, verdienstvollen Tätigkeit als praktischer Arzt in hiesiger Gemeinde“, die Ehrenbürger Würde.

Nach dem Abriss des alten Rathauses 1964 wurde der Brunnen demontiert, eingelagert und 1987 am aktuellen Standort wiederaufgebaut. Allerdings ohne Wassertechnik, dafür wird er von den Bauhof Gärtnern saisonal und ansprechend bepflanzt. Auf dem Friedhof Eggenstein gibt es eine Gedenktafel des Esser Ehepaares, welche am 10. Mai 2008 in einem würdevollen Akt der Öffentlichkeit vorgestellt wurde.

Ortsgeschichte lebendig und zum Anfassen. Eine weitere Würdigung des Dr. Esser gab es beim historischen Festumzug, am 5. Juni 2016, als Dr. Müller, ein ebenfalls sehr beliebter Eggensteiner Dorfarzt, in die Rolle des Dr. Esser schlüpfte und in einem Oldtimer den Umzug begleitete. Wer mehr wissen möchte über Dorfgeschichte, der kommt doch einmal zum historischen Stammtisch der Agenda Gruppe Ortsgeschichte oder besucht unsere beiden Museen. Das Heimathaus würde sich anbieten, ist es doch gerade gegenüber des Esser Brunnens.

Weitere Infos zur Ortsgeschichte und zu Terminen gibt es auf der Homepage von egg-leo und in unseren Ortschroniken 850 Jahre Leopoldshafen und 1250 Jahre Eggenstein.

Dr. Joseph Esser 6. September 1869 – 10. Mai 1933

 

Ralf Schreck – Geschichtsfreund