Der letzte Wilderer

Die Schröcker Schließ

Wer kennt die Schröcker Schließ? Ein kleines sandsteinernes Schleusenbauwerk an der Gemarkungsgrenze zwischen Leopoldshafen und Linkenheim. Vom Klärwerk Leo aus geht man den geteerten Weg parallel des Rheinniederungskanals Richtung Linkenheim. Beim Betreten des schmalen Waldstückes erreicht man die Schließ auf der linken Seite. Bei meinen Spaziergängen komme ich oft dort vorbei. Eines Tages traf ich dort auf einem älteren Herrn, der gerade von der Schließ wieder nach oben auf den Weg kletterte. Als sich unsere Blicke trafen sah ich sein schlechtes Gewissen. Behangen mit Kamera, Wanderstiefeln und meinem Schlapphut vermittelte ich wohl ein gewisses amtliches Aussehen und er dachte wohl ich sei der Wildschütz.

Doch wir kamen schnell ins Gespräch und dann erzählte er mir, dass er als Jugendlicher dort oft gewesen sei. Nach dem Krieg fanden er und seine Kumpels dort jede Menge Munition und Handgranaten, die die flüchtenden Soldaten dort entsorgten. In der Nähe gibt es auch noch einen relativ gut erhaltenen Wehrmachtsbunker. Er war Meister im Handgranaten werfen. Die „normalen“ Eierhandgranaten konnte jeder werfen aber die Stabgranaten beherrschte nur er, weil er den Zündmechanismus kannte.

Er hatte auch eine Kleinkaliber Pistole. Mit der versteckte er sich unten in der Schließ und jagte damit Enten. Es gab ja nichts nach dem Krieg, wir hatten Hunger. Auch Stare brachte er nach Hause. Sie taten ihm leid, wie sie so klein in der Pfanne lagen. Aber es gab wenig zu essen und seine Mutter war froh, dass er ab und zu etwas heim brachte. Ja, sagte er, er war hier in der Umgebung der letzte Wilderer. Er war ein Kind der Not. Diese Zeit blieb ihm im Gedächtnis und ich war froh diese Geschichte gehört zu haben, denn meine Kindheit verlief viel friedlicher als seine. Ich bin zwar in Bescheidenheit aufgewachsen aber nie in Not. Das gab mir zu denken.

In der Nähe gibt es auch einen Grenzstein, dem die Vergessenheit droht. Den könnte man doch bergen, herrichten und an exponierter Stelle präsentieren?

Die Schröcker Schließ wurde vom Anglerverein Linkenheim restauriert und über dieses technische Kleinbauwerk gibt es sicher auch zu berichten. Doch die Erzählung des „letzten Wilderes“ war erlebte Geschichte. Wer kennt ähnliche Geschichten aus der Heimat? Wer hat Lust darüber zu berichten? Der regelmäßige Stammtisch der Agenda Gruppe Ortsgeschichte wäre doch ein idealer Ort dafür?

Ralf Schreck – Geschichtsfreund

 

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