Volkstrauertag 2016

Gedanken zum Volkstrauertag 2016

Gedanken zum Kalten Krieg

Damals war ich 19 Jahre alt, hatte Flausen im Kopf und wohnte im Hotel Mama. Verwandte und Freunde in der DDR hatten wir nicht. Flucht und Vertreibung kannte ich nicht. Im Kalten Krieg bin ich aufgewachsen. Wir sahen die tieffliegenden Starfighter am Himmel und die vielen Soldaten während der jährlich statt findenden Nato Manöver. An Grenzen kannte ich damals nur die zu Frankreich. Meine Freunde und ich fuhren regelmäßig rüber. Meistens wurden wir durch gewunken, weil die Zöllner wussten, dass wir Flammkuchen essen wollten.

Dann wurde ich einberufen und 1978 begann ich meinen 15 monatigen Wehrdienst in der Nähe der Zonengrenze. Jetzt wurde der Kalte Krieg für mich Realität. „Feindliche Kräfte haben am Vorabend den Grenzübergang bei Herleshausen überschritten und rücken Richtung Westen vor“. Das war das Einsatzszenario für eine Geländeübung. Es hieß immer nur Feind, nie wurden Namen genannt. Im Rahmen einer politischen Bildung während der Grundausbildung fuhren wir an einem Novembertag zur Zonengrenze. 150 Rekruten in drei Bussen. Natürlich in Zivilkleidung, denn niemand wollte eine Provokation. Es begann wie ein Klassenausflug, die Stimmung war sehr heiter. In einer Bundesgrenzschutzkaserne bekamen wir eine Einweisung. Dort war das zu besichtigende Gelände im Miniaturformat, wie bei einer Modelleisenbahnanlage, zu sehen.

Als wir danach zur Grenze fuhren und beim Aussteigen dieses mächtige Bollwerk an Grenzbefestigungen erblickten, war schlagartig die gesamte Stimmung in Betroffenheit umgeschlagen. Mein erster Gedanke war, was für eine Landverschwendung. Dann fuhr drüben eine Patrouille vor und zwei Soldaten stiegen aus. Die waren genauso jung wie wir. Das sollten meine Feinde sein? Damals verstand ich nicht viel von Politik aber ich spürte das Unbehagen und die Ungerechtigkeit.

Wir begehen heute den Volkstrauertag, trauern und gedenken der Opfer. Wir brauchen diesen Tag, um im Erinnern unsere Zukunft besser zu gestalten. Eigentlich dachte ich, dass mit dem Mauerfall der Kalte Krieg zu Ende sei. Doch gibt es immer noch so viele Ungerechtigkeiten in unserer Welt und wir haben oder bekommen Vertriebene  in unseren Ort. Wir alle streben nach Freiheit aber Freiheit ist nichts was man besitzt, sondern etwas, was man tut. Und heute tun wir etwas dafür. Der Volkstrauertag ist auch ein Tag der Hoffnung und Zuversicht. Denn wenn wir über unsere Geschichte berichten, wenn sich Betroffene und Opfer öffnen, so wie heute und wenn wir junge Menschen gewinnen,  die sich damit auseinander setzen, so wie Lucas und Florian, Schüler der 9. Klasse, beide 14 Jahre alt, so wie heute, werden wir für unsere Zukunft die richtigen Schlüsse ziehen. Ich kann Sie nur ermutigen „besucht die Gedenkstätten auf unseren beiden Friedhöfen“, nehmt eure Verwandten und Freunde mit, haltet inne und zieht eure Lehren. Besucht unsere Heimatmuseen, auch dort wird Geschichte lebendig gehalten. Ja, wir müssen das.

An die Alten und Erfahrenen: „Öffnet euch, sagt wie es war! War es gut? War es schlecht?

An die Jungen und Unbefangenen: „Fragt sie, wie war das früher? Was ist mit Opa passiert? Warum musstet ihr fliehen?

Wir müssen uns damit auseinander setzen, denn nur dann haben wir Antworten auf die Fragen von morgen.

Mein Schicksal ist es, dass ich hier geboren wurde und nicht drüben. Was, wenn es umgekehrt wäre? Wenn meine Heimat drüben wäre? Eine schwere Frage. Ich habe lange gegrübelt und dabei ist mir das Gedicht von Robert Kroiß eingefallen.

Heimat

Heimat ist nicht nur ein Wort
Heimat das bist Du und ich
Heimat ist nicht nur ein Ort
Heimat die ist innerlich

Heimat ist stets wo ich bin
Schlägt in meinem Herzen
Heimat ist des Leben’s Sinn
Nicht ein Land mit Grenzen

Heimat ist woher ich kam
Und wohin ich gehe
Heimat ist nicht fern noch nah
Heimat heißt ich lebe

Heimat ist ganz einfach Leben
Grenzenlos und unbeschwert
Ist der inner’n Stimme Beben
Das Gewissen das man hört

Seele ist die Heimat allen Lebens
Dieses sag’ ich unumwunden
Alles Suchen ist vergebens
Hat man Heimat nicht in sich gefunden

Zu den Bildern:

Die schlimmsten Grenzen …  Die innerdeutsche Grenze haben wir überwunden. Das ist Vergangenheit. Jetzt müssen wir unsere innere Begrenztheit überwinden. Jeden Tag.

Tear down this wall. Manchmal sagen Menschen das richtige zur richtigen Zeit. Und das war Ronald Reagan am 12. Juni 1987. Lukas im Beobachtunsbunker der NVA in der Gedenkstätte Point Alpha bei Geisa.

Freiheit ist … Das alles sind wir, das alles tun wir. Hintergrund, Gelände der neuen Asyl Unterkunft. Brachland wird Zuflucht für Vertriebene. Links, Räumlichkeiten der Flüchtlingshilfe mit zahlreichen Spenden unserer Bürger. Rechts, die Eggensteiner Siwatzer beim Jahrestreffen 2014 mit Gedenkstätte auf dem Friedhof und dem Denkmal in der Luisenstrasse. Seht in die Gesichter der Siwatzer, dann seht ihr Zuversicht! Oben, die Jungen machen es vor! Viele Nationen Hand in Hand. Jubiläumszug zur 1250 Jahrfeier. Mitte: Für andere da sein, das ist ein Konfirmanden Projekt. Ein trister Stromkasten wurde zum Denkmal erhoben, eine wirklich tolle Idee!

 

Ralf Schreck – Träumer und Idealist

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert