Im Revier

Im Revier

Flink wie ein Wiesel verschwand er im Dickicht. So schnell konnten wir gar nicht schauen. Wir hatten Mühe den Pfaden zu folgen. Er kennt sein Revier wie seine Westentasche und erklärte uns bereitwillig was wir wissen wollten. Und noch mehr. Das alte Grabensystem, das teilweise verwildert, weil man es nicht mehr regelmäßig pflegt, hier ein historischer Grenzstein, dort eine alte Schließe. Umgestürzte Bäume, morastiger Boden und überall Zeichen und Spuren vom Schwarzwild. Hier eine Suhle, dort ein Liegeplatz. Und dann wieder undurchdringliches Dickicht, dann ein Tümpel, Erlenbruchwald. So sieht es auch in den Everglades aus. Ein Normalbürger verirrt sich dort nicht. Der Ortsrand ist gerade einmal hundert Meter entfernt und hier ist Wohlfühlgebiet für Wildschweine. Wenn die bloß da drin bleiben würden …

Wieder einmal bekamen wir Gelegenheit einen Jäger zu begleiten und das ist jedes Mal ein spannendes und interessantes Erlebnis. Weiter ging es durch Schilfdickicht, vorbei an einer Kanzel, dann auf eine Wiese. Der Pflanzenfreund freut sich, denn dort blühen gerade die Herbstkrokusse, die Herbstzeitlosen. Knorrige Bäume säumen die Pfade. Verwunschen sieht es aus, wild. Sonst bleiben wir auf den Pfaden und erkunden die Landschaften vom Weg aus. Heute ging es mit Begleitung ins Unterholz. Plötzlich treten wir aus dem Wald auf eine Wiese, danach nochmals durch ein Stück scheinbar unberührte Waldwildnis und dann sehen wir sie, die Problemzone.

Am Maisfeld bleiben wir stehen und sehen Becher, die mit Vergrämungsmittel bestückt sind, um die Sauen vom Mais fern zu halten. Ein nicht unerheblicher Aufwand für Wildschadensabwendung. Wer von uns „Normalbürgern“ hat schon einmal ein Wildschwein gesehen?  Die wenigsten. Aber sie sind da und es sind nicht wenige. Und sie gehen in den Mais und richten Schaden an. Wenn die Sauen sich dort einrichten werden große Flächen platt gemacht. Wir haben das gesehen und das sieht schon eindrucksvoll beängstigend aus. Es kamen Jäger Kollegen hinzu, die mit einer Drohne das Feld aus der Luft erkundeten, um sich einen Überblick zu verschaffen. Auch das gehört zur Hege.

Wie kann man dieser Situation Herr werden? Das ist nicht einfach zu beantworten. Es wird Schaden angerichtet, der auszugleichen ist. Die Jäger sollen dafür gerade stehen. Können und wollen die das? Oder müssen sie? Die Situation vor Ort ist sauen freundlich und deshalb schwierig. Es gibt eine Kanzel aber keinen Schussbereich ins Maisfeld. Ist der Waldrand bis ans Maisfeld gewachsen oder wurde der Mais bis an die Feldhecke gesät? Wäre ich Sau, ich würde dort in den Mais gehen. Es gibt überhaupt keine überschaubaren Korridore, die zum Jagen taugen. Die Lage entspannt sich erst, wenn der Mais geerntet ist.

Ist diese Situation lösbar oder ist das ein unlösbares Politikum? Ob sich Landwirte und Jäger gemeinsam an einen Tisch setzen, sich beraten und besprechen? Wir machen das so und so, um Schäden erträglich zu halten? Was sagt das aktuelle Jagdgesetz zur Situation vor Ort? Passt das? Hört man auf die Menschen vor Ort, die sich bestens in ihren Revieren auskennen oder ignoriert man die? Ein gemeinsames Vorgehen ist immer wünschenswert. Wir leben in einer Kulturlandschaft und unsere Landwirte wirken maßgeblich darin mit. Wer sich informiert weiß, dass die Landwirtschaft zahllosen Zwängen unterworfen ist und oftmals nicht die Wertschätzung erhält, die sie verdient. Andererseits haben Sie eine große Verantwortung dafür, Landschaft, Böden und Umwelt nachhaltig zu bewirtschaften, damit auch unsere Kinder noch davon zehren können. Dass sie das tun, davon gehe ich aus. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass man eines Tages ein gemeinsames Mais/Wildmanagement entwickelt, um diese Problematik in den Griff zu kriegen. Ein bisschen mehr Ökologie und ein bisschen weniger Mais würden auch den Rebhühnern und Fasanen gut tun.

Den höchsten Preis bezahlen die Sauen. Die, die man erwischt, zahlen mit ihrem Leben. Aber dann gibt es wieder lecker Gulasch.

Danke an Edwin für die Zeit, die er sich für uns genommen hat. Wenn man ihm zuhört spürt man die Leidenschaft, mit der er bei der Sache ist.

 

Ralf Schreck – Naturfreund

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