Kirchweih in Eggenstein

Kirchweih

Früher war der Tag der Kerwe höchster ländlicher Feiertag, der seit 1841 auf den 3. Sonntag im Oktober verlegt wurde. Schon Tage zuvor wurden die Häuser geputzt und die Kirchweihgänger waren in der Festtagskleidung unterwegs. Im Jubiläumsfilm zur 1200 Jahrfeier von Herbert Layh aus dem Jahre 1965 ist das zu erkennen. Gut angezogene Menschen vergnügten sich auf der Eggensteiner Kerwe. Man traf sich auf dem Festplatz, hielt ein Schwätzchen und hatte Kurzweil. Es gab Tanz bei klingender Musik. Im Gedicht von Rudolf Hügle heißt es in der sechsten Strophe:

„Reift Apfel und die Nuß aufs best`

So ist im Dorfe Kirchweihfest.

Der Bursche führt die Maid zum Tanze,

und schmückt sie mit dem Myrtenkranze.

O Eggenstein, so süß und traut,

dein Name klingt wie Wonnelaut“ …

Die Jugend wurde mit Kerwegeld ausgestattet  und tauschte es gegen Süssigkeiten oder kaufte sich ein paar Runden im Karussell oder im Boxauto. Komm, wir gehen Reitschul fahren, riefen wir und machten uns auf den Weg. Mein Bruder und ich waren ganz wild auf Magenbrot und Mohrenköpfe. Ja, das durfte man früher noch sagen. Ich dachte als Kind auch nicht an Mohren, sondern an Moor wie Sumpf, weil die ja auch braun sind. So ist halt die kindliche Phantasie. Boxauto bin ich nur einmal gefahren, weil ich mir bei der ersten Fahrt gleich den Kopf angehauen habe. Und trotzdem fanden wir Kinder die Kerwe amüsant. Den Kirchweihtag leitete ein feierlicher Gottesdienst ein, weil man ja der Weihe eines Kirchengebäudes gedachte.

Welche Funktion hat Kerwe in unserer modernen und digitalen Welt? Heute gibt es Abwechslung in Hülle und Fülle und droht sie deshalb an Bedeutung zu verlieren? Ich denke die Kleinsten kommen auf ihre Kosten, denn die können über die bunten Stände, Lichter und Krimskrams immer noch staunen. Ein paar Runden mit der Reitschul bringen Kinderaugen immer noch zum Leuchten. Kerwe ist Kultur und hat Tradition. Die Hauptstraße wird gesperrt, weil man dort den Festplatz einrichtet. Das ist ein genialer Schachzug, denn man wird gezwungen zur Umleitung, zum Inne halten. Man flaniert zu den Ständen und am Ende steht man vor unserer eindrucksvollen evangelischen Kirche und wer weiß, ob sich der eine oder andere hineinwagt, um ein paar stille Momente zu finden? Und über den eigentlichen Sinn einer Kirchweihe nach zu denken?

Also, ich gehe hin und freue mich jetzt schon aufs Magenbrot und Schokoschaumküsse und denke dabei an die Beule, die ich beim Boxauto fahren bekommen habe. Und in die Kirche gehe ich auch.

Ralf Schreck – Kerwe Freund

 

 

 

 

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