Unser Heimathaus in Eggenstein

Museumsfest in Eggenstein

Es ist schon ein Schmuckstück unser Heimathaus. Ein kleines Fachwerkhaus mit Scheune, einem kleinen Anbau und einem Gartengrundstück. Gelegen am Ankerberg in Eggenstein, direkt neben dem Esserbrunnen. Und heute war Museumsfest. Und was für ein tolles. Bei bestem Sommerwetter trafen sich Jung und Alt und genossen den Museumstag. Es ist das älteste Haus im Dorf. 2018 wird es 400 Jahre alt. Das muss man sich einmal vorstellen!  Wie viele Generationen hat es erlebt? Wie viele Kriege hat es überstanden? Unsere Gemeinde hat durch den Kauf des Anwesens die Chance genutzt dieses der Nachwelt zu erhalten und darin ein Museum eingerichtet. Ein solches Projekt kann eine Gemeinde natürlich niemals alleine stemmen. Zu Verwirklichung hat maßgeblich die Projektgruppe Ortsgeschichte beigetragen. Eine tolle Truppe, die nicht lange fragt, sondern gleich handelt. Es sind allesamt bescheidene Menschen, die „ihre Taten“ nicht an die große Glocke hängen. Heute jedoch wurde diese Gruppe öffentlich geehrt, als die Erinnerungstafel mit den Namen der Beteiligten am Eingangsbereich des Museums feierlich enthüllt wurde. Eindrucksvoll war auch, dass fast der komplette Gemeinderat anwesend war. Wie kann man ein Ehrenamt besser belohnen?

Auch die Heimatortsgemeinschaft Siwatz hat sich eingebracht mit Leistungen und Spenden. Ein Schwerpunktthema im Museum sind Flucht und Vertreibung. Und natürlich war unsere Feuerwehr ebenfalls wieder involviert. Ja, es ist ein echtes Bürgerprojekt. Aus der Bevölkerung kamen zahllose Exponate, die sorgfältig geordnet als Handwerkerausstellung in der Scheune zu sehen sind. Da wurden wahre Schätze zusammen getragen und wir können froh sein, dass wir seit vielen Jahren auf unseren ehrenamtlichen Museumsleiter Wolfgang Knobloch bauen können, der alles in wohl geordnete Bahnen lenkt. Und unsere Sparkasse hat mit ihrer Kulturstiftung nicht unerhebliche finanzielle Mittel bereit gestellt. Allen gebührt Dank, auch denen, die ich evtl. vergessen habe zu erwähnen.

Diese erlebte Gemeinschaft macht mich ein bisschen stolz. Es zieht sich wie ein roter Faden durch unsere kleine Gemeindewelt. Wir haben wirklich tolle Menschen im Ort, die sich in solchen Projekten absolut einbringen. Am kommenden Wochenende feiern wir in Eggenstein wieder das Strassenfest, am 2. Juli gibt es die tollen Pamina Aktionen in Leopoldshafen. Da dürfen wir gespannt sein, was uns wieder Tolles geboten wird!

Stolz macht mich auch, dass der Herd meiner Oma Ottilie Wöppel aus Dittigheim bei Tauberbischofsheim im Museum steht. Jedes Mal, wenn ich dort bin und vor dem alten Ding mit Wasserschiff stehe, habe ich meine Oma vor Augen. Eine herzensgute Frau war sie. Wie alle Omas eben.

Also Leute, geht mal hin und schaut euch unser Heimathaus an. Lasst Geschichte erleben, tragt euch ins Gästebuch ein und erforscht die Handwerke vergangener Zeiten. Taucht ein in die Geschichte. Erlebt wie die Heimatvertriebenen sich in Eggenstein angesiedelt haben, wie sie aufgenommen wurden, wie sie sich in die Dorfgemeinschaft eingebracht haben. Das dürfen wir nicht vergessen, das hilft uns bei der Eingliederung der neuen Flüchtlinge. Wer dann von Geschichte noch nicht genug hat, geht nach Leopoldshafen ins Heimatmuseum. Oder zur Sophie, der Museumsfähre oder zu den historischen Waschplätzen. Ist es nicht toll, dass wir so viele geschichtsträchtige Orte haben?

Macht mit, erzählt eure eigenen Geschichten aus der Vergangenheit an einem der Termine, wenn die Agenda Gruppe Ortsgeschichte ihren Stammtisch hat. Oder kommt einfach nur vorbei und hört zu. Seid neugierig, habt Interesse! Lust auf mehr? Geht auf die Homepage der Gemeinde egg-leo. Dort gibt es weitere Infos und auch mehr Bilder zum Museumsfest.

Ralf Schreck – Interessierter Bürger

Ich war dabei

Gemarkungswanderung des Fördervereins der Grundschule Leopoldshafen

Ich war dabei

und etwa siebzig andere waren es auch. Tatjana hatte die Tafeln fürs Naturquiz vorbereitet, die wir am Vortag gemeinsam an den jeweiligen Standorten anbrachten. Bereits an der ersten Station entdeckten wir am Wildgehölz ein äsendes Reh. Später an der roten Brücke schwamm die Enten Mama mit ihren Küken vorbei und am Hafen waren die Seeschwalben wieder da.  Jedes Mal gibt es neue Entdeckungen.

Es war ein schöner Tag. Viele kleine und große Leute besiedelten die Wanderstrecke und hatten großen Spaß  dabei. Die Tour war kurzweilig und führte uns zu Naturschönheiten und Kulturdenkmalen unserer Heimat. Klingt nach heiler Welt oder gar Kitsch? Nein, das ist es nicht. Kluge und weitsichtige Menschen unserer Gemeinde haben in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass durch das Aufstellen der Geschichtstafeln, des Herrichtens des historischen Waschplatzes, des Betriebes der Museum Fähre und anderem, Geschichte begreifbar wird. Wir haben schöne Ausflugsziele und die vielen kleinen Forscher haben heute einige davon erkundet. Und heute bekamen alle, die dabei waren eine 1!

Die alte Fähre schlummert an vielen Tagen im Hafen, bis sie an einer solchen Tour wieder erwacht .  Und wenn Fährmann Wilfried von der Vergangenheit berichtet, welche Bedeutung der Hafen für Schröck hatte, dann wird Geschichte lebendig. Mit seiner angenehmen Art zu erzählen entführt er die Zuhörer in vergangene Welten.

Das macht Lust auf mehr. Und es gibt bei uns noch weitere Orte, die es wert sind, dass man sie besucht. Das vorbereitete Quiz war ein echter Renner. Natur und Kultur wurden erkundet. Ein solches Projekt mit Tatjana umzusetzen war eine große Bereicherung. Ich bin gespannt auf die Auswertung der Fragebögen. Wenn die fünf besten ermittelt sind gibt es eine Sonderführung mit Eltern.

Danke Förderverein für die Organisation, die Vorbereitungen, das Bänke aufstellen und für die Verpflegung. Danke Agenda Gruppe Ortsgeschichte für die Unterstützung.

Ralf Schreck – Heimat Freund

Volkstrauertag 2016

Gedanken zum Volkstrauertag 2016

Gedanken zum Kalten Krieg

Damals war ich 19 Jahre alt, hatte Flausen im Kopf und wohnte im Hotel Mama. Verwandte und Freunde in der DDR hatten wir nicht. Flucht und Vertreibung kannte ich nicht. Im Kalten Krieg bin ich aufgewachsen. Wir sahen die tieffliegenden Starfighter am Himmel und die vielen Soldaten während der jährlich statt findenden Nato Manöver. An Grenzen kannte ich damals nur die zu Frankreich. Meine Freunde und ich fuhren regelmäßig rüber. Meistens wurden wir durch gewunken, weil die Zöllner wussten, dass wir Flammkuchen essen wollten.

Dann wurde ich einberufen und 1978 begann ich meinen 15 monatigen Wehrdienst in der Nähe der Zonengrenze. Jetzt wurde der Kalte Krieg für mich Realität. „Feindliche Kräfte haben am Vorabend den Grenzübergang bei Herleshausen überschritten und rücken Richtung Westen vor“. Das war das Einsatzszenario für eine Geländeübung. Es hieß immer nur Feind, nie wurden Namen genannt. Im Rahmen einer politischen Bildung während der Grundausbildung fuhren wir an einem Novembertag zur Zonengrenze. 150 Rekruten in drei Bussen. Natürlich in Zivilkleidung, denn niemand wollte eine Provokation. Es begann wie ein Klassenausflug, die Stimmung war sehr heiter. In einer Bundesgrenzschutzkaserne bekamen wir eine Einweisung. Dort war das zu besichtigende Gelände im Miniaturformat, wie bei einer Modelleisenbahnanlage, zu sehen.

Als wir danach zur Grenze fuhren und beim Aussteigen dieses mächtige Bollwerk an Grenzbefestigungen erblickten, war schlagartig die gesamte Stimmung in Betroffenheit umgeschlagen. Mein erster Gedanke war, was für eine Landverschwendung. Dann fuhr drüben eine Patrouille vor und zwei Soldaten stiegen aus. Die waren genauso jung wie wir. Das sollten meine Feinde sein? Damals verstand ich nicht viel von Politik aber ich spürte das Unbehagen und die Ungerechtigkeit.

Wir begehen heute den Volkstrauertag, trauern und gedenken der Opfer. Wir brauchen diesen Tag, um im Erinnern unsere Zukunft besser zu gestalten. Eigentlich dachte ich, dass mit dem Mauerfall der Kalte Krieg zu Ende sei. Doch gibt es immer noch so viele Ungerechtigkeiten in unserer Welt und wir haben oder bekommen Vertriebene  in unseren Ort. Wir alle streben nach Freiheit aber Freiheit ist nichts was man besitzt, sondern etwas, was man tut. Und heute tun wir etwas dafür. Der Volkstrauertag ist auch ein Tag der Hoffnung und Zuversicht. Denn wenn wir über unsere Geschichte berichten, wenn sich Betroffene und Opfer öffnen, so wie heute und wenn wir junge Menschen gewinnen,  die sich damit auseinander setzen, so wie Lucas und Florian, Schüler der 9. Klasse, beide 14 Jahre alt, so wie heute, werden wir für unsere Zukunft die richtigen Schlüsse ziehen. Ich kann Sie nur ermutigen „besucht die Gedenkstätten auf unseren beiden Friedhöfen“, nehmt eure Verwandten und Freunde mit, haltet inne und zieht eure Lehren. Besucht unsere Heimatmuseen, auch dort wird Geschichte lebendig gehalten. Ja, wir müssen das.

An die Alten und Erfahrenen: „Öffnet euch, sagt wie es war! War es gut? War es schlecht?

An die Jungen und Unbefangenen: „Fragt sie, wie war das früher? Was ist mit Opa passiert? Warum musstet ihr fliehen?

Wir müssen uns damit auseinander setzen, denn nur dann haben wir Antworten auf die Fragen von morgen.

Mein Schicksal ist es, dass ich hier geboren wurde und nicht drüben. Was, wenn es umgekehrt wäre? Wenn meine Heimat drüben wäre? Eine schwere Frage. Ich habe lange gegrübelt und dabei ist mir das Gedicht von Robert Kroiß eingefallen.

Heimat

Heimat ist nicht nur ein Wort
Heimat das bist Du und ich
Heimat ist nicht nur ein Ort
Heimat die ist innerlich

Heimat ist stets wo ich bin
Schlägt in meinem Herzen
Heimat ist des Leben’s Sinn
Nicht ein Land mit Grenzen

Heimat ist woher ich kam
Und wohin ich gehe
Heimat ist nicht fern noch nah
Heimat heißt ich lebe

Heimat ist ganz einfach Leben
Grenzenlos und unbeschwert
Ist der inner’n Stimme Beben
Das Gewissen das man hört

Seele ist die Heimat allen Lebens
Dieses sag’ ich unumwunden
Alles Suchen ist vergebens
Hat man Heimat nicht in sich gefunden

Zu den Bildern:

Die schlimmsten Grenzen …  Die innerdeutsche Grenze haben wir überwunden. Das ist Vergangenheit. Jetzt müssen wir unsere innere Begrenztheit überwinden. Jeden Tag.

Tear down this wall. Manchmal sagen Menschen das richtige zur richtigen Zeit. Und das war Ronald Reagan am 12. Juni 1987. Lukas im Beobachtunsbunker der NVA in der Gedenkstätte Point Alpha bei Geisa.

Freiheit ist … Das alles sind wir, das alles tun wir. Hintergrund, Gelände der neuen Asyl Unterkunft. Brachland wird Zuflucht für Vertriebene. Links, Räumlichkeiten der Flüchtlingshilfe mit zahlreichen Spenden unserer Bürger. Rechts, die Eggensteiner Siwatzer beim Jahrestreffen 2014 mit Gedenkstätte auf dem Friedhof und dem Denkmal in der Luisenstrasse. Seht in die Gesichter der Siwatzer, dann seht ihr Zuversicht! Oben, die Jungen machen es vor! Viele Nationen Hand in Hand. Jubiläumszug zur 1250 Jahrfeier. Mitte: Für andere da sein, das ist ein Konfirmanden Projekt. Ein trister Stromkasten wurde zum Denkmal erhoben, eine wirklich tolle Idee!

 

Ralf Schreck – Träumer und Idealist

 

 

Kirchweih in Eggenstein

Kirchweih

Früher war der Tag der Kerwe höchster ländlicher Feiertag, der seit 1841 auf den 3. Sonntag im Oktober verlegt wurde. Schon Tage zuvor wurden die Häuser geputzt und die Kirchweihgänger waren in der Festtagskleidung unterwegs. Im Jubiläumsfilm zur 1200 Jahrfeier von Herbert Layh aus dem Jahre 1965 ist das zu erkennen. Gut angezogene Menschen vergnügten sich auf der Eggensteiner Kerwe. Man traf sich auf dem Festplatz, hielt ein Schwätzchen und hatte Kurzweil. Es gab Tanz bei klingender Musik. Im Gedicht von Rudolf Hügle heißt es in der sechsten Strophe:

„Reift Apfel und die Nuß aufs best`

So ist im Dorfe Kirchweihfest.

Der Bursche führt die Maid zum Tanze,

und schmückt sie mit dem Myrtenkranze.

O Eggenstein, so süß und traut,

dein Name klingt wie Wonnelaut“ …

Die Jugend wurde mit Kerwegeld ausgestattet  und tauschte es gegen Süssigkeiten oder kaufte sich ein paar Runden im Karussell oder im Boxauto. Komm, wir gehen Reitschul fahren, riefen wir und machten uns auf den Weg. Mein Bruder und ich waren ganz wild auf Magenbrot und Mohrenköpfe. Ja, das durfte man früher noch sagen. Ich dachte als Kind auch nicht an Mohren, sondern an Moor wie Sumpf, weil die ja auch braun sind. So ist halt die kindliche Phantasie. Boxauto bin ich nur einmal gefahren, weil ich mir bei der ersten Fahrt gleich den Kopf angehauen habe. Und trotzdem fanden wir Kinder die Kerwe amüsant. Den Kirchweihtag leitete ein feierlicher Gottesdienst ein, weil man ja der Weihe eines Kirchengebäudes gedachte.

Welche Funktion hat Kerwe in unserer modernen und digitalen Welt? Heute gibt es Abwechslung in Hülle und Fülle und droht sie deshalb an Bedeutung zu verlieren? Ich denke die Kleinsten kommen auf ihre Kosten, denn die können über die bunten Stände, Lichter und Krimskrams immer noch staunen. Ein paar Runden mit der Reitschul bringen Kinderaugen immer noch zum Leuchten. Kerwe ist Kultur und hat Tradition. Die Hauptstraße wird gesperrt, weil man dort den Festplatz einrichtet. Das ist ein genialer Schachzug, denn man wird gezwungen zur Umleitung, zum Inne halten. Man flaniert zu den Ständen und am Ende steht man vor unserer eindrucksvollen evangelischen Kirche und wer weiß, ob sich der eine oder andere hineinwagt, um ein paar stille Momente zu finden? Und über den eigentlichen Sinn einer Kirchweihe nach zu denken?

Also, ich gehe hin und freue mich jetzt schon aufs Magenbrot und Schokoschaumküsse und denke dabei an die Beule, die ich beim Boxauto fahren bekommen habe. Und in die Kirche gehe ich auch.

Ralf Schreck – Kerwe Freund

 

 

 

 

Kalter Krieg

Kalter Krieg

Während dieser Zeit bin ich aufgewachsen. Die Grenzen waren fest, einige unüberwindbar. Es gab das scheinbar ewige Spannungsfeld zwischen Ost und West. In der Tagespresse sind mir die Statistiken der strategischen Waffen noch in Erinnerung. Es gab ein ausgewogenes Aufrüsten zwischen Nato und Warschauer Pakt. Und wenn die USA in ihrer Wüste wieder eine Atombombe zündeten dauerte es nicht lange, bis es einen sowjetischen Atomtest gab.

Wir waren es gewohnt, dass es viele Manöver in der Umgebung gab. Reforger Übungen hießen die. Tieffliegende Starfighter konnte man an vielen Tagen am Himmel kreisen sehen. Wenn die Soldaten schließlich wieder den Hardtwald verlassen hatten, haben wir uns den liegen gelassenen schwarzen Natodraht geholt, weil der ideal für unser Himbeerspalier war. Diese ganze Situation war für uns berechenbar, weil es unvorstellbar war, dass es einen Atomkrieg gab. Als junger Mensch hat man Flausen im Kopf und denkt nicht an Morgen.  „Drüben“ hatten wir keine Verwandten, so wussten wir nicht, wie es dort war. In den Weihnachtsansprachen wurde regelmäßig der Bürger in der DDR gedacht.

1978 wurde ich Wehrpflichtiger und verbrachte 15 Monate im Jäger Bataillon 132 in der Ausbildungskompanie 12/5 in Schwarzenborn in der Nähe der Zonengrenze. Da war ich 19 Jahre alt und hatte plötzlich einen öffentlich nicht genannten Feind. „Feindliche Kräfte haben in der Nacht den Grenzübergang Herleshausen Richtung Westen überschritten“. Das war immer das Szenario, um in den Wald auszurücken und in Stellung zu gehen. Wir hatten als W15er auch politische Bildung. Im Rahmen einer solchen Veranstaltung fuhren wir in Zivil mit drei Bundeswehrbussen an die Zonengrenze nähe Hünfeld. Zuvor ging es in eine Bundesgrenzschutzkaserne, wo wir informiert und Verhaltensregeln auferlegt bekamen, damit es nicht zu einem Grenzkonflikt kam.

Es war ein kalter Tag im November als wir an den Grenzbefestigungen standen. Was für eine Landverschwendung dachte ich mir. Zäune, Minenfelder, Wachtürme, Selbstschussanlagen. „Feindliche Soldaten“ kamen mit einem Patroullienfahrzeug angefahren und beobachteten uns mit Ferngläsern. Die waren genauso jung wie wir. Diese ganze Situation war erschreckend beunruhigend und plötzlich verstand ich, weshalb unsere Politiker nicht nachließen die Wiedervereinigung anzustreben. Mein nächster Gedanke war, ich stehe auf der richtigen Seite. Das war eines der bedeutendsten Erlebnisse in meiner Bundeswehrzeit.

Ein weiteres Erlebnis als W15er hatte ich in einem Feuergefecht mit scharfer Munition. Natürlich war es eine Übung. Unser Trupp lag in Stellung und wir hatten Befehl den „Feind“ ab einer bestimmten Linie zu bekämpfen. Dann klappten die Pappkameraden hoch und wir feuerten. Es wurden immer mehr  und ich wusste nicht mehr, welchen ich zuerst erschießen sollte. Es war ein Höllenfeuer. Wie im Rausch jagte ich Feuerstoß für Feuerstoß in die Soldaten. Ich dachte an die jungen Grenzsoldaten an der Zonengrenze, dann war mein Magazin leer, die Übung zu Ende und die Bundeswehr war für mich gelaufen. Das war nicht mein Ding. Im Ernstfall hätte ich vorbei geschossen. Ich war 19 Jahre alt.

1989 fiel die Mauer und wir begrüßten die vielen Trabis auf der Autobahn mit Hupkonzerten. 2010 verbrachten wir unseren Urlaub in der Rhön und besuchten in Geisa den damaligen Beobachtungsposten Point Alpha. Heute ein Museum. Ich wollte meinen Söhnen zeigen, wie das damals mit der Teilung war. Es hat sich viel verändert. Die Menschen wollen Freiheit und Frieden. Die Zonengrenze wurde abgebaut, jetzt haben wir das Grüne Band mit eindrucksvoller Natur. Die Wehrpflicht wurde abgeschafft. Meine Söhne  hätte ich in keinem Fall zum „Bund“ gelassen. In meinem nächsten Leben würde ich es machen wie David: er hat ein freiwilliges ökologisches Jahr im Naturschutz absolviert. Darauf bin ich besonders stolz.

2016 verbrachten wir unseren Urlaub in Thüringen und besuchten unsere ehemaligen nicht öffentlich ausgesprochenen Feinde. Das sind Menschen wie du und ich. Wir wurden herzlich aufgenommen und eingeladen zu Würzfleisch und Sonderbier. Und ich war froh, dass ich als 19 jähriger die richtige Entscheidung traf.

Das ist erlebte Geschichte, die wir den Jüngeren nicht vorenthalten dürfen. In unserer Gemeinde nutzt man den Volkstrauertag, um der Öffentlichkeit Geschichte zu präsentieren. Gemeinde, Kirchen, Zeitzeugen, interessierte Bürger bringen sich ein, um ein geschichtliches Thema aufzubereiten und darzustellen. Wichtig ist auch, dass jedes Jahr Schülerinnen und Schüler mit einbezogen werden, die ihren Teil zur Präsentation einbringen.

Ralf Schreck – Wiedervereinigungsfreund

Alarm im Hardtwald

Zu Besuch bei Vinca

Vorsicht! Aufgepasst! Hundsgiftgewächse im Hardtwald entdeckt! Halt, stopp, was sich dramatisch anhört, ist nur halb so wild. Wer unseren Grillplatz im Hardtwald an der Linkenheimer Allee, in der Nähe des Gartencenters kennt, der hat diese Pflanze schon einmal gesehen. Es ist das blau blühende Kleine Immergrün, Vinca minor, ein immergrüner Zwergstrauch, den wir gerne in unsere Gärten pflanzen. Im Bereich zwischen Allee und Grillplatz gibt es eine größere Fläche mit dieser geschichtsträchtigen Pflanze, denn sie tritt in Süddeutschland erst seit der Römerzeit auf. Sie gilt als Kulturrelikt und zeigt oft die Lage ehemaliger Burgen und Siedlungen an. In dieser Umgebung verlief eine Römer Straße, deren Reste bei Friedrichstal als etwa zwei Meter hoher Damm zu erkennen sind (oder waren?). Vielleicht hat ein Römer einst dort gelagert und einen Setzling gepflanzt? Oder war es vielleicht nur ein ausgeleerter Blumenkasten eines Gartencenter Kunden? Die Römerversion würde mir besser gefallen.

Es gibt eine weitere Besonderheit am Vinca. Sie gehört zur Familie der Apocynaceae, der Hundsgiftgewächse. Die meisten Vertreter dieser Gattung gibt es nur in den Tropen und Subtropen. In Deutschland kommen davon nur das Immergrün und die Schwalbenwurz vor. Eine Verwandte der Vinca ist eine schöne Pflanze, die seit einigen Jahren unser Sommerblumensortiment bereichert. Es ist die uns wohl bekannte Mandevilla oder Dipladenia.

Beim Grillplatz gab es ein Arbeitslager des Reichsarbeitsdienstes. „Leo Berger“ – RAD-Abt. 2/275 wurde es genannt. Es war eines von vier Lagern in der Gemarkung von Eggenstein und Leopoldshafen. Die dort untergebrachten Männer gruben den benachbarten Pfinzentlastungskanal in Handschachtung aus. Der Kanal verläuft zwischen Grötzingen und Leopoldshafen, ist 15,6 km lang und leitet Hochwasser der Pfinz in den Rhein. Im Heimatmuseum Leopoldshafen gibt es einige Bilder vom RAD. Hinter der Grillhütte kann man noch die Fundamente des einstigen Lagers erkennen.

Ein geschichtsträchtiger Ort ist unser Grillplatz. Es gab auch einige Jahre eine Erdölförderung in der Nähe. Als Kind habe ich die Pferdekopfpumpe, die das schwarze Gold aus der Tiefe förderte noch gut in Erinnerung. Das Immergrün ist mittlerweile eingebürgert und ist wertvoller Nektarlieferant für die ersten Wildbienen und zahlreiche Hummeln. Im Wald kann man Buntspecht und im freien Feld den Turmfalk beobachten.

Ralf Schreck – Vinca Freund

 

 

Der schwarze Ordner

Der schwarze Ordner – Mein Onkel Paul

Erst spät habe ich ihn kennen gelernt. Erst als ich den schwarzen Ordner von meinem Vater bekommen habe. Und das ist noch gar nicht lange her. Darin befinden sich Briefe, Dokumente und Fotos von Paul. Zwischen den Zeilen liest man Verzweiflung, Trauer, Leid und Ratlosigkeit. Schlagartig bekam ich ein anderes Bild von unserer Familie. Eigentlich war ich gerne bei meinen Großeltern, bei Oma Rosa und Opa Franz in Dittigheim. Die andere Oma, Ottilie und der andere Opa, Franz, lebten auch dort. Wir verbrachten als Kinder die Sommerferien dort. Gewohnt haben wir bei Otti und Franz und Rosa und Franz haben wir besucht. Es waren kurze Besuche aber besondere, weil sie schön waren. Wir wurden gemocht, das spürten mein Bruder und ich. Wir spürten aber auch eine Bedrücktheit, eine Art Trauer. Als Kind habe ich das nie verstanden. Es wurde nie über Paul gesprochen aber er war immer präsent. Und jetzt las ich im Ordner über Paul.

Name : S c h r e c k Paul

Geburtsort : Dittigheim, Lauda-Land-Baden

Geburtstag : 27.6.1925

Dienstgrad : Panzergrenadier

Feldpostnummer : 57 499 C (Einige Tage vorher noch 047 22 E (Panzereinheit) .

Letzter Kampfort : Kirowograd

Letzte Post : 2. Januar 1944

Vermisst seit : 9.I.1944 bei Kirowograd.

Vermisst. Aus den Unterlagen geht hervor, dass mein Opa Franz alles versucht hat das Schicksal von Paul aufzuklären. Suchanfragen wurden gestartet, zahllose Behörden wurden konsultiert. Kriegsheimkehrer wurden ausfindig gemacht und befragt. Vom Soldaten Hofmann, der Pauls Kamerad war, gibt es einen Brief, in welchem sein letzter Kampfeinsatz beschrieben ist …

Das soll es gewesen sein? Aus dem blühenden Leben gerissen? Verheizt in einem sinnlosen Krieg? Heimat? Das bedrückt mich, wenn ich darüber nachdenke und stimmt mich ratlos.

Paul wurde nie gefunden. Das ist bitter. Es gibt kein Grab, an dem man Abschied nehmen konnte. Eltern geben ihre Kinder nicht auf. Das hat mich an meinem Opa Franz beeindruckt, das habe ich verstanden. Was ich nie verstanden habe ist, dass sich Paul freiwillig zum Kriegseinsatz gemeldet hat. Er war bei der Panzertruppe der Wehrmacht. Das erkennt man an den Totenkopfabzeichen seiner Uniform auf einem Foto. Diese Totenköpfe waren ein Traditionsabzeichen der Kavallerie. Was hat ihn bewogen zu tun was er getan hat? Hat er sich von der Nazi Zeit blenden lassen? Wie hätte ich mich verhalten? Paul wurde noch nicht einmal 19 Jahre alt. Das Schlimme dabei ist, dass Paul kein Einzelfall ist. Ähnliche Schicksale gab es in zahllosen anderen Familien. Das dürfen wir nie vergessen. Ich bin dankbar dafür, dass ich in einer Demokratie aufwachsen konnte. Meine beiden Söhne können das auch und beide sind schon älter als 19. Deshalb werde ich dafür sorgen, dass Paul nicht vergessen wird.

Für Paul – nie wieder Braun, nie wieder Krieg

Die Kastanie beim Reitplatz

Die Kastanie beim Reitplatz

Viele Kinder kennen Kastanien. Spätestens im Herbst, wenn die schönen braunen Früchte zum Sammeln einladen ist man gerne draußen. Wer hat noch nicht aus den Kastanien allerlei Tiere gebastelt? Man braucht einen Holzbohrer, Streichhölzer und ein bisschen Fantasie. So entstehen Löwen, Käfer, Schmetterlinge und viele andere Tiere. Mein Bruder Thomas und ich haben das auch gemacht. 1963 habe ich eine Kastanie in unseren Sandkasten vergraben und im nächsten Jahr ist ein kleiner Baum daraus gewachsen. Im folgenden Jahr war er bereits zwei Meter hoch und es war klar, dass er dort nicht bleiben konnte.

Damals war mein Papa Schatzmeister beim Reiterverein und es bot sich eine Möglichkeit, „meine Kastanie“ dorthin umzusiedeln. Herr Vollweiter kam vorbei und versuchte den jungen Baum dem Sandkasten zu entreißen. Das war mir gar nicht recht, denn damals wusste ich nicht, dass man Bäume umpflanzen kann. 1965 wurde das Bäumchen neben die Reithalle gepflanzt. Mittlerweile ist es ein stattlicher Baum, hat eine Verzweigung mit vier Stämmen und „gehört“ jetzt jedem, der darunter steht. Dort passt Aesculus hippocastanum sehr gut hin, heißt sie doch auf Deutsch Rosskastanie. In der Blütezeit kann man Hummel Königinnen beobachten, die gierig Nektar und Pollen für ihre Brut sammeln. Solange die Blüten befruchtungsfähig sind, das erkennt man am gelben Fleck in der Blüte, enthält der Nektar bis zu 70 Prozent Zucker. Sind die Blüten befruchtet, wird der Fleck rot und die Quelle versiegt.

Bei den Reiterfesten früher war das halbe Dorf anwesend. Es wurden sogar an den Zufahrtstrassen „Mautstellen“ eingerichtet und mein Bruder und ich waren als Kassierer für den Eintritt eingesetzt. Heute sind die Besucherströme überschaubar. Eigentlich schade, denn es gibt viel Interessantes zu sehen. Das Reiterfest 2013 ging wohl als Seepferdfest in die Geschichte ein. Auch die jährliche herbstliche Schleppjagd ist ein Ereignis für Pferdefreunde. Reiten hätte ich lernen können aber mir waren damals schon die Pferde zu hoch. Dafür finde ich es toll, dass in den Ställen Rauchschwalben nisten. Dort finden sie alles was sie brauchen. Wasserpfützen, Stroh, Lehm und eben Ställe.

Die Kastanie wurde Mitte des 16. Jahrhunderts von der Balkanhalbinsel zu uns mitgebracht. Heute gilt sie als heimisch, integriert sozusagen.

Ralf Schreck – Pferde-, Schwalben- und Kastanienfreund

Fotos von Ralf und Lukas Schreck

 

Kulturen am Ortsrand

Kulturen am Ortsrand

18.00 Uhr Eröffnung des Kunstmarktes des Kulturvereins Eggenstein-Leopoldshafen in der Rheinhalle. Am Ortsrand. Eine schöne Atmosphäre. Man kennt sich. Kunst, Kultur, Musik. Eine schöne Ansprache. Schöne Bilder, schöne Objekte, schöne Dinge. Interessierte Menschen. Sektempfang und Häppchen.

Wir Fotografen schauen weit. Deshalb fielen mir gegenüber der Straße die Metallbögen der Folientunnel der benachbarten Gärtnerei auf. Das sah nach einem lohnenden Motiv aus. Zahlreiche Arbeiter waren damit beschäftigt diese Metallkonstruktion zu errichten. Gartenbaukultur am Ortsrand.

Und dann stand ich am Containerdorf. Am Ortsrand. Dort sah ich die große Parabolantenne vor den Containern. Das ist die Verbindung zur Heimat, denn dort wohnen Menschen aus fremden Kulturen. Ich wollte nicht auffallen und niemanden belästigen. Als ich stehen blieb kam Alexander aus Usbekistan heraus. Er wollte ein Foto haben. Gesagt, getan. Aber ich wollte auch mit drauf. Der erste Kontakt.

Die Folientunnelbauer sind Gastarbeiter und kommen aus Polen, Rumänien. Sie haben es geschafft. Sie sind integriert. Heidelbeersträucher werden dort kultiviert. Heidelbeeren für unseren Nachtisch.

So viele unterschiedliche Kulturen am Ortsrand. Ob es wohl auch andere Kulturfreunde aus der Rheinhalle über die Straße wagen?

Alexander war betrunken. Ob ich Angst hatte? Nein, es war mehr Betroffenheit und Hilflosigkeit. Unser Gemeindemotto lautet „Wohlfühlen in Vielfalt“. Dort am Containerdorf kann ich das nicht nach empfinden. Hier stoße ich an meine Grenzen. Hier bin ich ratlos. Was ich aber niemals machen würde, wäre eine Beteiligung an einer Unterschriftenaktion gegen eine Unterkunft für asylsuchende Menschen. Das finde ich einfach nur schäbig.

Auch nach Heidelbeernachtisch war mir nicht zu Mute.

Ralf Schreck – Kultur Freund

 

Eggensteins weißes Gold

Eggensteins weißes Gold

Nein, ich meine nicht den Kies. Das ist eine andere Geschichte. Wenn ich samstags Doris zur Arbeit bringe, komme ich an den Flächen vorbei. Und das ist übers Jahr betrachtet äußerst interessant. Im zeitigen Frühjahr sind die Äcker noch eben und liegen brach. Irgendwann sieht man dann den ersten Traktor am Horizont, der die Dämme formt. Hochwasserschutz? Nein mein Freund, es geht um Spargel! Dann weiß ich, es kommt wieder die leckere Spargelzeit. Vorfreude auf sinnliche Genüsse stellt sich ein.

Nach den Dämmen kommt das Plastik. Eine Woche später ist alles weiß. Wenn man flüchtig hinschaut könnte man denken: Hat´s jetzt noch geschneit? Das gab es früher nicht. Früher waren die Dämme alle nackig. Seit 1850 gibt es Spargelbau bei uns im Ort. Wir haben sandige Böden das mag der Spargel. Unsere Chronik sagt, dass 1964 (das ist meine Kinderzeit) 310 Pflanzer den Spargel auf 32 ha angebaut haben. Viele Einheimische haben Äcker und Wiesen und diese hat man als sogenannte Nebenerwerbsbauern bewirtschaftet. Wir Kinder sind oft geradelt und haben den Spargelstechern beim Ernten zugesehen. Wir haben gestaunt, wie flott das ging. Es ist wie eine Schatzsuche. Man muss den Riss am glatten Damm finden, dann gehen die Finger dort in die Tiefe, das Messer setzt an und der Schatz ist geborgen. Mit der Volkschule sind wir in Heimatkunde zum Spargelfeld und bekamen das erklärt. Ich war stolz, denn ich kannte das schon.

Heute gibt es weniger Spargelbauer und die bewirtschaften größere Flächen. Die Vliese und Folien, die zum Einsatz kommen sind Erntehelfer. Sie bewirken eine schnellere Erwärmung der Böden. Der Spargel kommt früher auf den Markt. Der Bauer erzielt gute Preise und wir können früher genießen. Die eigentlichen Erntehelfer sind die Spargelstecher. Früher waren das die Einheimischen heute sind es Menschen aus Polen, Rumänien und Kroatien. Und die sind bei Wind und Wetter draußen, um für uns Nachschub zu sorgen. Die Landwirtschaft kennt keinen acht Stunden Tag und in der Saison auch kein Wochenende. Das sollten wir wertschätzen wenn wir beim Festmahl am Weißen Sonntag beisammen sitzen und den Spargel genießen. Ich kenne noch den Begriff „Gastarbeiter“. Gäste wollen wir doch gut behandeln! Wir dürfen nicht vergessen, man rief nach Arbeitskräften und es kamen Menschen. Es sollte uns deshalb auch Wert sein für Spargel mehr zu bezahlen, weil man jetzt (endlich?) den Mindestlohn erfunden hat.

Spargel ist eine heimische Kultur. Kurze Wege, Verkauf direkt am Ort. Keine langen Transporte, günstige CO2 Bilanz. Und es wird nachhaltig bewirtschaftet, das kann man beobachten. Staunen muss ich auch, wie unsere landwirtschaftlichen Betriebsleiter das alles organisieren. Anbau, Logistik, Maschineneinsatz, Transporte, Verkauf, Verwaltung, Bürokratie. Am meisten staune ich, wenn ich den Spargeldammpflug beobachte. Dann bin ich wieder Kind. Ja, staunen kann man nur in Echtzeit. Das geht nicht digital. Also, mal wieder raus gehen und schauen, wie Spargel gemacht wird. Spargel gehört zu Eggenstein.

Ralf Schreck – Spargelfreund